„Dürfen nicht im Klein-Klein verharren“: Klaus Holetschek, Chef der CSU-Fraktion. © Bayer/dpa
München – Zum Start gab‘s ein Lob, es klang etwas gönnerhaft. Wer sich mit seinem neuen Fraktionschef anlegen wolle, dem wünsche er „viel Freude“, sagte Markus Söder im Oktober 2023. Gemeint war: Von Duellen mit Klaus Holetschek könne man sich Schrammen holen, am besten die Opposition oder die Freien Wähler. An die freundlichen Worte denkt man in diesen Tagen wieder zurück: Denn jetzt steht im Raum, ob es bald Söder ist, der im Konflikt mit Holetschek viel Freude erleben wird. Oder auch nicht.
Der Fraktionschef, genau zwei Jahre im Amt, rückt gerade ins Zentrum einer Grundsatzfrage der Landespolitik: Bricht Bayern in der Krise nochmal mit dem Prinzip und Stoiber-Erbe der ausgeglichenen Haushalte? Macht neue Schulden, um gegen die Flaute anzuinvestieren? Söder ist dafür sehr offen, eine Maximalsumme von zwei Milliarden Euro pro Jahr steht im Raum. In der Landtagsfraktion gibt es, wie diese Woche bei einer internen Aussprache deutlich wurde, große Bedenken. Kleinere Summen, nur einmalig, mit strengem Rückzahlplan, forderten Abgeordnete. Holetschek steht nun in der Mitte und muss das aussteuern.
Festgelegt auf ein Ja/Nein hat er sich bisher nicht. „Es darf kein Dogma sein, keine neuen Schulden zu machen“, sagt der 61-Jährige. Er spricht aber von einem Dreiklang aus „reformieren, konsolidieren, investieren“. Seine Forderung: „Wir müssen jetzt den Einstieg in eine Staatsreform finden und uns ehrlich fragen, welche Aufgaben wirklich zentral sind“, Zuständigkeiten und Strukturen hinterfragen. Er will einen großen Schnitt: „Wir dürfen nicht im Klein-Klein verharren.“ Söder hat sich eine tiefe Staatsreform, Einschnitte bei Behörden, noch nicht zu eigen gemacht. Er hat lediglich abstrakt zugesagt, 10 000 Stellen bis 2040 abzubauen.
Was nützlich sein wird in diesem Konflikt: Holetschek hat das Vertrauen aller Seiten, sogar ehrliche Sympathie. Die Abgeordneten, die den früheren Gesundheitsminister 2023 mit 84 von 85 Stimmen ins Amt hievten, trauen ihm weiterhin, auch die aufstrebenden Jüngeren. Der Einfluss der Fraktion im Söder-zentrierten CSU-Kosmos ist zuletzt etwas gestiegen, das eher mit Kreativität als Krawall. Holetschek setzte mit dem „Bayern-Jahr“, einem Zwischenschritt für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr, einen eigenen Pflock in der Wehrpflicht-Debatte, auch ohne überschäumende Söder-Begeisterung. Seine Abgeordneten legten bei der letzten Klausur in Banz in Teilen griffige Konzepte für eine mutigere Verwaltungsreform („Bayern-Update“) vor.
Holetschek hat in den zwei Jahren nie den offenen Konflikt mit dem Ministerpräsidenten gesucht; wie es ab und zu bei Stoiber und seinen Fraktionschefs, darunter der legendäre Alois Glück, der Fall war. Im Gegenteil: Der Draht zu Söder ist ungewöhnlich eng. Die beiden Frühaufsteher telefonieren jeden Morgen noch vor sieben Uhr, meistens im Tagesverlauf noch ein, zwei Mal. Eine Start-Zeit, zu der (höflich umschrieben) von seinem Vorgänger Thomas Kreuzer noch kein Anruf zu erwarten war.
Was wohl hilft dabei: Holetschek ist einerseits uneitel, jedenfalls murmelt er sich nicht durch Journalistenrunden mit der Botschaft, sich das Ministerpräsidentenamt eigentlich auch zuzutrauen. Allenfalls wäre er sehr gerne Bundesgesundheitsminister geworden. Hat nicht geklappt, nimmt er ohne Groll hin.
Gleichzeitig ist er hart – zu sich selbst. Man glaubt heute kaum, dass er 1998 ein 100-Kilo-Brummer war, kettenrauchend. Als Fraktionschef verschlankte er noch mal so auffällig, dass sich Parteifreunde Sorgen machten. Auf gezielten ärztlichen Rat rund um seinen 60., so sagt er heute, habe er sich von Kopf bis Fuß durchchecken lassen: „In so einem Job musst Du fit sein.“ Ist er eigentlich, Marathon in 4:18, wäre da nicht ein herber Rückschlag: Ein Zeckenbiss, Borreliose, traf ihn hart und wochenlang.
Gut möglich, dass Holetschek die Schulden-Frage halbwegs harmonisch lösen wird. „Vielleicht muss man mal Kante zeigen“, sagt er über seinen Stil, „aber nicht um der Kante willen“.