Freundliche Begrüßung: Syriens Interimspräsident Ahmed al-Scharaa vergangene Woche mit Johann Wadephul. Die Reise des Außenministers wirkt nach. © Brandt/dpa
Berlin – Die Bundesregierung widerspricht dem Eindruck eines Streits über die freiwillige Rückkehr von Syrern in ihr Heimatland und Rückführungen von Straftätern. Wenn man genau hinschaue, gebe es „inhaltlich überhaupt keinen Dissens oder auch keinen Widerspruch“, sagt der stellvertretende Regierungssprecher Steffen Meyer am Montagmorgen in Berlin. Es sei der Bundesregierung wichtig, die Situation in der Region zu stabilisieren – um eine freiwillige Rückkehr möglich zu machen.
Offenbar schauen nicht alle so genau hin wie der Herr Regierungssprecher. Der Eindruck, der nach der Reise von Außenminister Johann Wadephul nach Damaskus bleibt, ist jedenfalls keiner der Einigkeit. Die Rückkehr nach Syrien sei „zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr eingeschränkt möglich, weil in der Tat doch sehr viel an Infrastruktur in diesem Land zerstört ist“, hatte Wadephul zwischen den Ruinen von Harasta, einer schwer verwüsteten Vorstadt von Damaskus, erklärt. Kurzfristig könnte man „nicht zurückkehren“.
Das sehen in der Union nicht alle so. Schon am frühen Montagmorgen rechnet der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Steffen Bilger (CDU), in der ARD vor, es seien bereits eine Million Flüchtlinge aus den unterschiedlichsten Ländern freiwillig nach Syrien zurückgekehrt – aus Deutschland aber bisher nur etwa 2000.
Am Montagabend meldet sich dann der Chef selbst zu Wort: „Der Bürgerkrieg in Syrien ist zu Ende“, sagt Bundeskanzler Friedrich Merz im schleswig-holsteinischen Husum. „Es gibt nun keinerlei Gründe mehr für Asyl in Deutschland“ – deshalb könne mit Rückführungen begonnen werden. Er gehe davon aus, dass viele Syrer freiwillig in ihr Heimatland zurückkehrten, um dort beim Wiederaufbau nach dem Krieg zu helfen, sagt der Kanzler – und fügte hinzu: „Diejenigen, die sich weigern, in das Land zurückzukehren, die können wir selbstverständlich abschieben.“
Laut Bundesinnenministerium hielten sich im August 951406 Menschen aus Syrien in Deutschland auf. 920 davon seien ausreisepflichtig und hätten keinen Duldungsstatus. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart liefen Vorbereitungen, Rückführungen von Straftätern nach Syrien möglich zu machen, sagt auch Regierungssprecher Meyer. Die Lage vor Ort werde dabei bei der Bewertung immer auch eine Rolle spielen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) leistet bereits Vorarbeit und bearbeitet wieder Asylanträge von Syrern – „vorrangig von arbeitsfähigen, jungen Männern“, wie das Innenministerium kürzlich erklärte.
Wichtig ist, bei der Diskussion sorgfältig zu trennen: zwischen einer verpflichtenden Rückführung und der freiwilligen Rückkehr. Um Rückführung gehe es, wenn der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig sei und abgeschoben werden könne, erklärt ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Dafür gebe es sehr hohe rechtliche Hürden. Zu solchen Rückführungen habe sich Wadephul bei seinem Besuch in Syriens allerdings nur am Rande geäußert. Dem Minister ging es eher um die individuelle Entscheidung von Syrern über eine freiwillige Rückkehr. Dabei spielten die Sicherheit, wirtschaftliche Erwartungen und Wohnraum im Heimatland eine Rolle.
Beifall bekommt der Minister aus dem linken Teil der Opposition. Es sei „beunruhigend“, wie Wadephul „wieder von seinen eigenen Parteikolleginnen und -kollegen desavouiert wird und man ihm schon wieder widerspricht, obwohl er ja vor Ort ist und sich das selber angeschaut hat“, sagt Grünen-Chefin Franziska Brantner. Und Linken-Chef Jan van Aken findet: „Es hilft manchmal, direkt in die Region zu fahren.“ Syrien sei „ein komplett zerstörtes Land“. MM/DPA/AFP