Zukunftsfähige Pflege: Die Politik will den Beruf attraktiver machen. Auf dem Deutschen Pflegetag gab es jedoch Kritik an dem geplanten Gesetz. © ASB-Bundesverband/dpa
Berlin – „Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege“ – der Name klingt erst einmal wie der Titel eines trockenen Amtsromans. Doch hinter dem sperrigen Zungenbrecher verbirgt sich etwas, das eigentlich das Gegenteil erreichen will: weniger Hürden sowie mehr Handlungsspielraum und Eigenverantwortung im Pflegeberuf. „Die Pflege muss ihr volles Potenzial entfalten können“, sagte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) dazu am Mittwoch auf dem Deutschen Pflegetag in Berlin.
Von ausländischen Fachkräften, die in Deutschland arbeiten, höre sie oft die Klage: „In unseren Heimatländern können wir viel mehr machen“, so die Ministerin weiter. Das Gesetz, über das der Bundestag heute entscheidet, soll es Pflegekräften ermöglichen, Aufgaben eigenverantwortlich zu übernehmen, die bisher Ärzten vorbehalten sind. Außerdem soll die Entbürokratisierung mehr Zeit für die eigentliche Betreuung von Patienten schaffen. Dadurch werde der Pflegeberuf auf lange Sicht attraktiver, erklärte Warken.
Aus der Pflege kamen aber mahnende Töne: Pflegeratspräsidentin Christine Vogler begrüßte das Gesetz zwar als „unglaublich wichtigen Schritt“, kritisierte jedoch: „Handlungsspielräume wirken nur, wenn sie auch finanziert, abrechenbar und klar geregelt sind – mit echten Zuständigkeiten und festen Strukturen statt endloser Modellprojekte.“
Konkret forderte Vogler klare Fristen für die nächsten Schritte, eine bundesweite Weiterbildungsstruktur und ein System, das messbare Qualitätsverbesserungen wirklich belohnt. „Ohne diese Basis droht die Befugniserweiterung zum alten Wein in neuen Schläuchen zu werden – mehr Verantwortung, aber kein Hebel“, sagte Vogler und erntete Applaus von den Teilnehmern des Pflegetags.
Beifall erhielt Vogler auch für ihre Kritik an der im Gesetz vorgesehenen Rolle der Krankenkassen. Diese sollen demnach Aufgabenlisten für die Versorgungsstrukturen erstellen. Aus Sicht der Pflegevertreter sei dieser Schritt gewagt, erklärte Vogler und fragte: „Macht man damit die eigentlichen Schiedsrichter zu Regelschreibern?“
Vogler sagte, sie hoffe, das Gesundheitssystem könne das Vertrauen der Patienten zurückgewinnen. Derzeit glaube die Bevölkerung nicht mehr an das politische Versprechen eines sicheren und bedarfsorientierten Zugangs für jeden. Vielmehr überwiege der Eindruck, der Zugang zur bestmöglichen Versorgung orientiere sich an „Versicherungsstatus, persönlichem Netzwerk, Einkommen und Wohnort“, so die Pflegeratspräsidentin. Um dies zu ändern, müsse Deutschland vom „Arzt zuerst“-Prinzip abkommen und stattdessen teambasiert denken. Patienten müssten einen einfachen Zugang zu Pflege, Hausärzten, Therapieangeboten und Sozialberatung haben.
Gesundheitsministerin Warken verwies auf die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“. Diese befasse sich damit, Empfehlungen zur besseren Finanzierung und Versorgung zu machen. Auf den Ergebnissen werde 2026 eine umfassende Reform aufbauen. Noch in diesem Jahr will Warken einen Vorschlag vorlegen, wie die drohenden Beitragssteigerungen in der Pflegeversicherung verhindert werden können. „Vieles muss noch besprochen werden oder dazukommen“, sagte sie jedoch und versprach, mit Pflegevertretern im Gespräch zu bleiben.
Vogler betonte, dass sich alle mehr Mitsprache in der Politik erhofften. Ohne Pflege funktioniere in Deutschland „keine Gesellschaft, kein Gesundheitssystem und kein solidarisches Miteinander“, mahnte sie. „Pflege hält nicht nur Menschen am Leben, sie hält unsere Demokratie zusammen.“