Bundeskanzler mit 70 – na und?

von Redaktion

Merz und sein Führungsstil

Bitte kein scheinheilig besorgtes Getue, ob Friedrich Merz mit nun 70 dem anstrengenden Kanzler-Job noch gewachsen sei. Keine Sorge: Er ist fit, hoch belastbar und arbeitswütig, wie dankenswerterweise viele in dieser Generation. Das Problem ist nicht, dass Merz zu lange in der Politik ist. Als Problem erscheint eher, dass er zu lange nicht in der Politik war.

Friedrich Merz zeigt in seiner Kanzlerschaft bei näherem Hinsehen zwei Schwächen. Er kommuniziert zwar erfrischend kantig, eine Riesenabwechslung gegenüber dem stoisch Kritik wegnuschelnden Olaf Scholz und der sich von kritischen Fragen abschottenden Angela Merkel. Aber er wird von Debatten überholt, reagiert zu langsam für den schnellen 24/7-Politikbetrieb. Beispiel „Stadtbild“-Debatte: Er hätte viel früher, am besten sofort, klarstellen müssen, was konkret er damit meint. Die Lust und das Tempo, Regierungschefs das Wort im Mund umzudrehen und sie misszuverstehen, sind heute größer als in den 90ern.

Merz muss außerdem seine Führungsstrategie anpassen. Wackelige Minister, siehe Wadephul, sind nicht straff genug geführt. Der Kanzler hat außerdem die Regierungsfraktionen zu wenig im Griff, in der Unionsfraktion reicht seine Autorität nicht, in der SPD fehlt vielen Abgeordneten die Koalitionsdisziplin. Das lässt sich heute nicht mehr per Befehl von oben schaffen, er muss mehr reden und zuhören. Na dann: Fitte 70er können noch viel dazulernen.

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