KOMMENTARE

Steinmeiers gefährlicher Rat

von Redaktion

Die AfD verbieten?

Acht Jahre lang hat Frank-Walter Steinmeier keine Überschrift für seine Präsidentschaft gefunden – und jetzt, auf den letzten Drücker, die vermutlich falsche. Ja, es gibt Leute in der AfD, die die freiheitliche Grundordnung infrage stellen. Aber das AfD-Verbot, nach dem das Staatsoberhaupt nun so eindringlich ruft, würde unsere Demokratie ebenso sehr oder noch mehr erschüttern. Eben mal die laut Umfragen stärkste Partei zu verbieten und die Stimmen eines Viertels der Wähler zu annullieren, wäre das Eingeständnis der politischen Mitte, dass sie den demokratischen Wettbewerb verloren hat.

Es gibt ja Gründe dafür, dass die „Alternative für Deutschland“ so stark ist, obwohl sie unappetitliche Figuren wie Björn Höcke in ihren Reihen duldet und sie sich dem Kriegsherrn Putin an den Hals wirft. Deutschlands Wohlstand schmilzt, seit 2019 gibt es kein Wachstum mehr, vielen Bürgern fällt es schwer, angesichts hoher Mieten und erheblicher Teuerung über die Runden zu kommen. Immer mehr Menschen plagen Zukunftsängste. Und die regierenden Volksparteien Union und SPD finden nicht die Kraft, eine Reformagenda zu verabschieden, um die Lähmung zu überwinden. Derweil ziehen die etablierten Parteien die Brandmauer immer höher, in Kauf nehmend, dass dahinter die AfD ungehindert gedeihen kann, weil sie nicht beweisen muss, dass sie es besser kann. Und die SPD kann sich weiter den Luxus leisten, die Wünsche vieler (auch ihrer eigenen) Wähler zu ignorieren und in der Koalition zu blockieren, weil sie darauf bauen kann, dass die Union den Tabubruch nicht wagt.

Hinzu kommt: Die AfD hat zwar Nazis in ihren Reihen, aber das macht sie nicht automatisch zur Nazipartei, deren Verbot durch das Verfassungsgericht ein Selbstläufer wäre. Ein Verfahren dauert Jahre. Bis dahin könnten Alice Weidel & Co. sich als verfolgte Unschuld präsentieren und von Wahlsieg zu Wahlsieg eilen. Schon klar: Das darf kein Freibrief sein. Erhärten sich Verdachtsmomente, muss auch ein Verbot der AfD eine Option bleiben. Doch bis dahin sind CDU und CSU gut beraten, die Empfehlung eines Bundespräsidenten mit Vorsicht zu genießen, aus dem leider immer auch der SPD-Politiker sprach. Zur Größe eines Richard von Weizsäcker oder Joachim Gauck hat Steinmeier nie gefunden.GEORG.ANASTASIADIS@OVB.NET

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