Bundeswehr hautnah: Vor einem Münchner Einkaufszentrum zeigen Soldaten ihre Ausrüstung und erklären das Equipment. © Foto: Markus Schlaf
München – Vor den Riem Arcaden, einem Einkaufszentrum im Münchner Osten, tummeln sich nicht nur Shoppingbegeisterte. Denn dort wird am Mittwoch auch etwas ganz anderes geboten: Bundeswehr-Fahrzeuge, uniformierte Soldaten, zwei Maultiere und sogar ein Jet stehen da. Die in Tarnfarben gekleideten Mitarbeiter erklären Interessierten die Fahrzeuge. In manche darf man sich sogar hineinsetzen. Alles zur Feier des Tages: das 70-jährige Bestehen der Bundeswehr.
Vor dem 14 Meter breiten Jet steht eine Menschentraube. Das Mehrzweckkampfflugzeug wird Tornado genannt, erklärt Oberstleutnant Sebastian Zäch. Er zeigt auf den Puma – einen Schützenpanzer. „Das hier ist der schwerste Hund.“ Daneben ein Bagger, ein Jeep und mehrere kleine Panzer – alles Bundeswehr-Equipment. „Das hier ist alles sehr beeindruckend“, sagt Nicola Fuchs-Kirner. Sie saß gerade in einem Überschneefahrzeug. Es hat breite Gummiketten und kann so über Moor und Schnee fahren, ohne stecken zu bleiben. Obwohl Fuchs-Kirner eben glücklich aus dem Fahrzeug gestiegen ist, findet sie es auch etwas befremdlich, wie sie zugibt. Früher sei die Bundeswehr nicht so präsent gewesen. „Jetzt ist es gut und richtig“, sagt die Münchnerin gleichzeitig. Für die Leute schaffe es Sicherheit.
Ein Leitmotiv, das auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) verfolgt. Ziel sei es „kämpfen zu können, um nicht kämpfen zu müssen“, sagt er bei einem feierlichen Gelöbnis anlässlich des Bundeswehr-Gründungstags in Berlin. Dort bekennen sich 280 Rekruten dazu, dem Land zu dienen. Fast zeitgleich legen in München 250 Rekruten auf dem Mariahilfplatz ihr Gelöbnis ab.
Es ist praktisch ein historischer Anlass für die aktuelle Debatte. Denn was ist, wenn sich nicht genug Menschen für den Wehrdienst entscheiden? Noch immer ringt die schwarz-rote Koalition um ein dafür geeignetes Wehrdienstmodell. In dieser Woche soll eine Entscheidung gefällt werden. Pistorius mahnt dazu, dass die Bedrohung durch Russland real sei. Sie dürfe „nicht kleingeredet werden weder aus Angst, noch aus politischen Gründen“. Am Mittwochabend (nach Druck dieser Ausgabe) wollten sich die Fraktionschefs Jens Spahn (CDU) und Matthias Miersch (SPD) deswegen mit Fachpolitikern beraten.
Die Zeit drängt. Eine Einigung spätestens im Koalitionsausschuss am heutigen Donnerstag hält etwa der Wehrbeauftragte Henning Otte (CDU) für zwingend notwendig. „Mehr Zeit sollte nicht verstreichen, damit das Gesetz Anfang Dezember vom Bundestag verabschiedet werden kann“, sagt er der „Rheinischen Post“.
Wirklich aus dem Nähkästchen plaudern, wie der Stand der Dinge ist, will Pistorius zuvor aber nicht. Er mahnt lieber dazu, die Bundeswehr nicht schlechtzureden. „Wir sind viel besser als der Ruf.“ Die Truppe sei „richtig gut aufgestellt, wir wachsen auf“. Der Plan ist, auf 260 000 aktive Soldatinnen und Soldaten plus 200 000 Reservisten zu wachsen – noch auf Basis der Freiwilligkeit.
Die Union hatte aber einen Automatismus verlangt, wenn sich nicht genügend Freiwillige melden und ein Losverfahren für Männer ins Spiel gebracht. „In Zeiten wachsender Bedrohungen brauchen wir wieder mehr Einsatz für unser Land“, erklärt CSU-Chef Markus Söder. „An einer Rückkehr zur Wehrpflicht führt kein Weg vorbei – Freiwilligkeit allein reicht nicht mehr aus.“ Der Wehrbeauftragte Otte wirbt derweil für einen positiven Umgang mit der geplanten Musterung. Man solle sie praktisch als eine Art Service anbieten, „quasi als kostenfreier staatlicher Fitnesstest“, sagt er.
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier versucht sich in der Debatte Gehör zu verschaffen. Er macht sich erneut stark für eine „Pflichtzeit für alle“ – bei der Bundeswehr oder im Sozialen Bereich. An Ideen mangelt es also nicht, nur eben an der Umsetzung hapert es noch.