Skandal im Selenskyj-Umfeld

von Redaktion

Im Sommer protestierten viele Ukrainer gegen ein Gesetz, das die Korruptionsbekämpfung geschwächt hätte. © dpa

Kiew – Die Folgen des Korruptionsskandals im ukrainischen Energiesektor weiten sich mit Ministerrücktritten aus. Nach einer Aufforderung durch Präsident Wolodymyr Selenskyj veröffentlichte Energieministerin Switlana Hryntschuk ihr handgeschriebenes Rücktrittsgesuch bei Facebook. Auch Justizminister Herman Haluschtschenko reichte seinen Rücktritt ein. Selenskyj hatte zuvor beide dazu aufgefordert.

Der ehemalige Energieminister Haluschtschenko ist einer von mehreren Verdächtigen in dem Korruptionsskandal, der auch im Westen aufmerksam verfolgt wird. Für Kiew geht es um Milliardenhilfen im Kampf gegen den russischen Angriffskrieg. Selenskyj sicherte den Antikorruptionsorganen Unterstützung zu und kündigte an: „Es wird eine Säuberung und einen Neustart bei der Leitung von Energoatom geben.“

Am Vortag hatte es bei Haluschtschenko Durchsuchungen gegeben. Er war seit Juli Justizminister. Von den Ermittlungen sind mehrere ehemalige und amtierende Regierungsmitglieder betroffen, darunter der Ex-Vizeregierungschef Olexij Tschernyschow, der als enger Vertrauter Selenskyjs gilt.

Das Nationale Antikorruptionsbüro und die spezialisierte Staatsanwaltschaft der Ukraine hatten am Dienstag Ermittlungen bei dem für den Betrieb der Kernkraftwerke zuständigen Staatskonzern Energoatom bekanntgemacht. Es geht um Bestechungsgeld, das beim Bau von Schutzvorrichtungen um Energieanlagen gegen russische Luftangriffe geflossen sein soll. Das Antikorruptionsbüro sprach von fünf Festnahmen und sieben Verdachtsfällen. Die Gruppe soll 100 Millionen US-Dollar (86,4 Mio. Euro) an Schmiergeld gewaschen haben. Die Ermittler veröffentlichten auch ein Foto mit einem Berg an noch eingeschweißten Dollarscheinen.

Im Zentrum der Ermittlungen gegen die „hochkarätige kriminelle Organisation“ steht Selenskyjs langjähriger Wegbegleiter Tymur Minditsch. Beide kennen sich noch aus der Schauspieler-Zeit des Präsidenten. Der Geschäftsmann gehörte vor Selenskyjs Wahl 2019 zu dessen wichtigsten Begleitern – er ist unter anderem Miteigentümer des von Selenskyj gegründeten Studios „Kwartal-95“. Der 46-Jährige habe laut Staatsanwaltschaft nicht nur Einfluss auf Haluschtschenko ausgeübt, sondern auch auf Ex-Verteidigungsminister Rustem Umjerow. Der Ex-Minister, heute Sekretär des Rates für Nationale Sicherheit, räumte zwar Kontakte zu Minditsch ein, wies die Vorwürfe aber zurück.

Der Hauptverdächtige habe Einfluss auf staatliche Entscheidungen „im Energie- und im Rüstungsbereich“ genommen, teilten die Ermittler nach 15-monatiger Arbeit mit. Sie zeichneten 1000 Stunden abgehörte Gespräche der nun Beschuldigten auf. Die Beschuldigten sollen sich Decknamen zugelegt haben – Minditsch wurde „Karlsson“ genannt. Im Raum steht auch der Vorwurf, dass Minditsch mit seiner Nähe zu Selenskyj Einfluss auf Personalentscheidungen in der Regierung nahm.

Die Energiewirtschaft steht besonders jetzt in der kalten Jahreszeit im Fokus, weil viele Anlagen durch die russischen Drohnen- und Raketenangriffe beschädigt sind. Viele Menschen sitzen in Kälte und Dunkelheit, während sich Beamte bei illegalen Geschäften bereichert haben sollen.

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