Scharfschützen wüteten 1993 in Sarajevo. © pa
Mailand – Die Mailänder Justiz ermittelt gegen Personen, die während des Bosnien-Krieges in den 1990er-Jahren auf „Menschen-Safari“ in Sarajevo gegangen sein sollen. Bereits im Juli reichten der italienische Rechtsanwalt Nicola Brigida sowie der ehemalige Richter Guido Salvini bei der Staatsanwaltschaft Dokumente ein, die die Menschenjagd belegen.
Unter den Freizeit-Scharfschützen, die von den umliegenden Hügeln der Stadt auf Zivilisten in Sarajevo schossen, sollen Italiener, Deutsche, Franzosen und Engländer gewesen sein. Sie wurden offenbar von Mitgliedern der serbisch-bosnischen Armee des Serbenführers Radovan Karadzic von Triest über Belgrad nach Sarajevo gebracht. Dafür bezahlten die Teilnehmer Zeugen zufolge viel Geld, um auf Männer, Frauen und Kinder zu schießen.
Bei der Belagerung Sarajevos zwischen 1992 und 1996 kamen mehr als 10 000 Menschen ums Leben, darunter 1600 Kinder. Viele von ihnen wurden von Scharfschützen erschossen. Der Krieg wurde ausgelöst, nachdem Bosnien-Herzegowina sich von Jugoslawien unabhängig erklärt hatte. Serbenführer Karadzic wurde 2016 in Den Haag unter anderem wegen Völkermord verurteilt.
2022 veröffentlicht der slowenische Filmemacher Miran Zupanic die Dokumentation „Sarajevo Safari“. Darin berichten Kriegszeugen, dass westliche Gruppen von den Hügeln aus auf die Zivilbevölkerung schossen. Einer der Zeugen spricht von „Menschen-Safari“.
Daraufhin erstattete die damalige Bürgermeisterin von Sarajevo, Benjamina Karic, Anzeige in Bosnien-Herzegowina. Sie lieferte nun auch der Mailänder Staatsanwaltschaft einen Bericht. „Es ist klar, dass es sich hier um reiche und einflussreiche Leute handelt, Mitglieder der gesellschaftlichen Elite, für die die Jagd, ihr Hobby, monströse und unmenschliche Ausmaße angenommen hat“, sagte Karic der italienischen Zeitung „La Repubblica“.
Der Dokumentarfilm animierte auch den italienischen Journalisten Ezio Gavazzeni zur Recherche. Laut Gavazzeni seien „sehr, sehr viele Italiener“ beteiligt gewesen, genaue Zahlen nannte er aber nicht. „Es waren Deutsche, Franzosen, Engländer … Menschen aus allen westlichen Ländern, die hohe Summen zahlten“, sagte Gavazzeni dem britischen „Guardian“. Er reichte die Anzeige zusammen mit Anwalt Brigida und Ex-Richter Salvini ein. Gavazzeni sagte, er habe einige der teilnehmenden Italiener identifiziert. Sie sollen in den kommenden Wochen von der Staatsanwaltschaft Mailand vernommen werden. JULIUS MÜLLER-MEININGEN