Ernste Lage: Die Parteichefs Markus Söder, Bärbel Bas, Friedrich Merz und Lars Klingbeil. © afp
Berlin/München – Arbeitsministerin Bärbel Bas ist sehr zufrieden. „Wir zeigen, dass wir Kompromisse finden, auch wenn wir uns gelegentlich streiten“, sagt die SPD-Vorsitzende gestern Abend im Bundestag. Markus Söder steht neben ihr und scherzt, man habe sich heute doch gar nicht gestritten. Und Bas entgegnet schlagfertig mit einem Grinsen. „Nee, heute noch nicht.“ Das ist vielleicht die wichtigste Botschaft dieses Koalitionsgipfels. Es gibt den gemeinsamen Willen, Deutschland voranzubringen. „Uns ist klar, in welcher Situation unsere Volkswirtschaft ist“, betont Kanzler Friedrich Merz.
„Die Energiepreise sind ein echter Standortnachteil für Deutschland“, sagt CSU-Chef Markus Söder. Eingeführt werden soll deshalb ein Industriestrompreis, der von 2026 bis 2028 gelten soll. Merz spricht von einem Zielpreis von 5 Cent pro Kilowattstunde. „Wir standen im Wort. Wir haben den Branchen versprochen, dass wir schnell handeln“, sagt Bas.
Außerdem soll eine Strategie zum Bau neuer Gaskraftwerke kommen. Im nächsten Jahr sollen laut Merz acht Gigawatt ausgeschrieben werden, die bis 2031 in Betrieb gehen. Sie sollen sicherstellen, dass es auch in Zeiten, in denen Erneuerbare nicht ausreichend verfügbar sind, keine Probleme gibt. Die Vorhaben waren bereits grundsätzlich bekannt. Merz spricht von wichtigen Bausteinen der Energiepolitik. Die EU-Kommission muss hier noch zustimmen. Merz: „Alle Signale, die wir aus Brüssel hören, deuten darauf hin, dass wir das erwarten dürfen.“
Gesenkt wird auch die Ticketsteuer im Luftverkehr. Merz sprach von einer Größenordnung von etwa 350 Millionen Euro zugunsten der Luftverkehrsindustrie in Deutschland. Die Steuer war im Mai 2024 deutlich erhöht worden. Das verteuert potenziell Passagierflüge von deutschen Flughäfen – mit entsprechenden Problemen für die Industrie. „Wir sind das einzige Land in Europa und darüber hinaus, dass bis jetzt nicht wieder bei den Verkehrszahlen angekommen sind, die wir vor Corona hatten“, sagt Merz. Neben der Steuer sollen auch die Gebühren der Flugsicherung schon ab 2026 leicht sinken – und bis 2029 um mehr als zehn Prozent, heißt es im Beschlusspapier.
Ein weiteres Projekt aus dem Koalitionsvertrag: Der Deutschlandfonds soll Investitionen in der Wirtschaft stärken. Der Bund will dabei zehn Milliarden Euro bereitstellen. Die mögliche Investitionssumme soll dann durch Mittel privater Geldgeber vervielfacht werden. Ziel ist laut Koalitionsvertrag eine Zielsumme von mindestens 100 Milliarden Euro. Profitieren sollen insbesondere der Mittelstand und wachstumsfähige Startups.
Die Koalitionsspitzen hatten ausnahmsweise nicht im Kanzleramt, sondern im Bundestag beraten. Grund: Parallel standen namentliche Abstimmungen an, zu denen die Abgeordneten ins Plenum eilen mussten. Unter anderem eine Senkung des Strompreis – Ergebnis eines früheren Koalitionsausschusses. Zudem tagte der Haushaltsausschuss, um letzte Details des Etats zu klären.
Als die Parteichefs gegen 19.30 Uhr vor die Kameras treten, war der Gipfel auch noch nicht beendet. Nach den Abstimmungen wolle man sich wieder zusammensetzen. Es gibt noch etliches zu besprechen. Offen bleib zunächst beispielsweise, wie es bei den Streitpunkten Verbrenner und Rente weitergehen soll. Lars Klingbeil zieht ein sehr zufriedenes Fazit – das auch wie ein Appell an seine Partei klingt. „Ich halte alle Probleme und Herausforderungen, die wir in diesem Land haben, für lösbar.“ Man müsse nur den Willen haben, diese Lösungen zu erreichen.