Die Haltung zu Putin spaltet die AfD: Alice Weidel und Tino Chrupalla. © Nietfeld/dpa
Die zwei Sätze, mit denen die AfD den Streit um die Haltung zu Wladimir Putin beenden will, sind karg: „Wir werden als Bundessprecher der Alternative für Deutschland auch zukünftig gemeinsam Politik für Deutschland und seine Bürger machen. Dafür pflegen wir die guten Beziehungen zu unseren europäischen und internationalen Partnern“, so das gemeinsame Statement der AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla. Trotz des Machtwort-Versuchs Weidels wiederholte Chrupalla gestern die umstrittenen Äußerungen, mit denen er in der Talkshow „Markus Lanz“ den AfD-Streit eskalieren ließ: „Putin hat mir persönlich nichts getan“, sagt der aus Sachsen stammende Politiker im ZDF. Wie gefährlich ist dieser Streit für die AfD? Ein Interview mit der Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, Prof. Ursula Münch.
Frau Münch, wie bewerten Sie das gemeinsame Statement von Weidel und Chrupalla?
Da scheint es ziemlich Zoff gegeben zu haben. Es ist eine klassische Beruhigungs- und Wischi-Waschi-Erklärung. Wenn derartiges die Regierungsparteien herausgegeben hätten, hätte die AfD mit großem Spott reagiert. Die Formulierung, „wir pflegen gute Beziehungen zu internationalen Partnern“, lässt offen, ob Russland auch solch ein Partner ist. Das können sich jetzt die ost- und die westdeutschen AfD-Wähler je nach Gusto raussuchen.
Warum ticken die Ostdeutschen beim Thema Russland so anders?
Durch die DDR-Geschichte ist eine andere Sichtweise auf Russland entstanden, die nicht unbedingt eine positive ist. Wir machen in der alten Bundesrepublik den Fehler, dass wir der ostdeutschen Bevölkerung per se Russlandfreundlichkeit unterstellen. Man könnte es ja auch ganz anders lesen: „Wir Ostdeutsche wissen, mit wem man sich besser nicht anlegt, wir wollen nicht die nächste Ukraine sein“ – ohne dass man das so anspricht.
Chrupalla sagt: Mir hat Putin ja nichts getan…
Bei diesem Satz muss Frau Weidel im Karree gehüpft sein! Das ist doch kein Argument und zeugt von einem sehr, sehr simplen Weltbild. Aber dahinter steckt ein zentraler Gesichtspunkt für die AfD: Es geht darum, das Gegenteil zu machen von dem, was die Regierungsparteien machen. In weiten Teilen der Bevölkerung, nicht nur bei AfD-Wählern, gibt es die Meinung, lieber in ordentliche Schulen als in die Unterstützung der Ukraine Steuergeld zu stecken.
Wirkt Weidels Machtwort?
Egal ob bei der AfD oder in den Regierungsfraktionen: Machtworte helfen nicht oder halten allerhöchstens zwei Stunden lang. Das liegt auch daran, dass im Zeitalter der Sozialen Medien die Abgeordneten immer individualistischer auftreten. In einer Adenauer-Bundesregierung hat man kaum mitbekommen, wenn es Unmut in der Fraktion gab. Heute lesen wir es im Minutentakt auf TikTok oder Instagram.
Wird der Russland-Streit die AfD-Wähler beeindrucken?
Ich habe im Augenblick nicht den Eindruck. Neben einer Kerngruppe, die die Partei aus Überzeugung wählt, wird die AfD ja vor allem aus Ärger über die anderen Parteien gewählt. Die Frage ist, wann die AfD auch so eine Partei wird, über die man sich ärgert. Das hängt ganz stark vom kommunikativen Geschick der AfD-Führung ab. Ständige innerparteiliche Widersprüche, ständige Machtworte könnten tatsächlich dazu führen, dass auch die AfD in der Beliebtheit runtergeht. Aber noch sehe ich das nicht, da ist das Unbehagen gegenüber den regierenden Parteien und den seriösen Oppositionsparteien zu groß.