Wer wie die AfD nicht regieren muss oder darf, kann sich viel erlauben, um die Wähler im Westen wie im Osten zu ködern: zugleich für die Wehrpflicht sein (Parteichefin Alice Weidel) und dagegen (Co-Chef Tino Chrupalla). Und Putin zur „Deeskalation“ mahnen (Weidel) und ihn hofieren (Chrupalla). Mit seinen unerträglichen Aussagen bei „Lanz“, wo er Putin in Schutz nahm („Er hat mir nichts getan“) und Polen zum Bösewicht ausrief, hat der ostdeutsche Malermeister die Doppelstrategie aber überreizt und sogar für AfD-Verhältnisse eine Schmerzgrenze überschritten. Weidel, die starke Frau der AfD, wird das Problem bald auf ihre Weise zu lösen versuchen: indem sie ihren Partner vom Tandem stößt.
Der Unions-Plan, die AfD mit dem Vorwurf des Landesverrats unter Druck zu setzen, scheint aufzugehen. Nur was folgt daraus? Die Spaltung der AfD in einen West- und einen (Höcke-)Ostflügel? Möglich. Nicht völlig ausgeschlossen ist, dass Weidel sogar den Versuch ihrer gescheiterten Vorgänger Meuthen und Petry wiederholt, die AfD aus dem Schwitzkasten der Rechtsextremen zu befreien, um sie in Regierungsbeteiligungen zu führen und Grüne und SPD in die Opposition zu schicken – so wie bei der Abstimmung an diesem Donnerstag im Brüsseler EU-Parlament; dort kippte die EVP-Fraktion, zu der CDU und CSU gehören, gemeinsam mit den Rechten das strenge Lieferkettengesetz, ein Bürokratiemonster, dem wirklich keiner eine Träne nachweinen muss.
Wie die Italienerin Meloni will Weidel ihre Partei zu einem rechten Sammelbecken machen. Dazu müsste sie aber noch viel Ballast abwerfen. Dazu gehört die abstoßende Nähe zum Schlächter Putin. Auch Meloni gelang der Ausbruch aus der postfaschistischen Schmuddelecke erst, als sie sich zum Westen bekannte und an die Seite der Ukraine stellte. Ihr Lieblings-Autokrat ist nicht Putin, sondern Trump. Auf ihn baut, im Gegensatz zum fanatisch antiamerikanischen Höcke, auch Weidel. Und hofft, dass er die AfD dafür vor einem Verbot bewahrt.GEORG.ANASTASIADIS@OVB.NET