Lars Klingbeil ist dieser Tage nicht um seinen Job zu beneiden. Als erster Minister der Merz-Regierung reist er nach China – mitten in einer Phase, in der es zwischen Berlin und Peking offen kracht. Nachdem Außenminister Wadephul erst kürzlich seine Reise in letzter Minute abgeblasen hat, muss Klingbeil nun in mehrere Rollen zugleich schlüpfen: Er reist nicht nur als Finanzminister, sondern als Vizekanzler und Krisenmanager, der versöhnliche Worte finden muss – ohne sich zu unterwerfen.
Keine Frage: Wadephuls klare Worte zu Taiwan waren richtig. Und es war konsequent, nicht zu reisen, solange China nur Termine mit der zweiten Reihe anbietet. Doch die Zeitenwende verlangt Nüchternheit statt Hysterie. Die Kritik der Grünen an Klingbeils Reise ist naiv. China hat uns bei Chips, Seltenen Erden und sogar lebenswichtigen Medikamenten fest im Griff. Wer so verletzlich ist, kann sich keinen Abbruch der Gespräche leisten.
Kurzfristig liegt es nun an Klingbeil, rote Linien zu definieren: Dazu gehören die Forderungen nach fairem Wettbewerb, Zugang zu Rohstoffen und der Ausschluss chinesischer Technik aus unserer kritischen Infrastruktur. Langfristig brauchen wir aber endlich eine einheitliche, gesamteuropäische Strategie. Derzeit tritt Deutschland China als Partner, Rivale und Bittsteller gegenüber. Es darf sich nicht wundern, wenn diese Widersprüche ausgenutzt werden.KATHRIN.BRAUN@OVB.NET