Oje. Der etwas vom Glück verlassen wirkende Friedrich Merz muss sich vorsehen – und beherzte Sprünge in weitere Fettnäpfchen nach Möglichkeit vermeiden, wenn er nicht als Kanzler mit der längsten Anlauf- und kürzesten Amtszeit enden will. Auf einem Kurztrip zur Weltklimakonferenz nach Belém eben mal ganz Brasilien gegen sich aufzubringen, muss man erst mal schaffen. Binnen einer Woche ein großes Partnerland und mit der Jungen Union einen wichtigen innenpolitischen Akteur vor den Kopf zu stoßen, zählt nicht zu den Kunststücken, die ein gewiefter Kanzler beherrschen sollte.
In Berlin richten sich viele Blicke bereits auf zwei trittsicherere Rivalen. Einer davon ist Hendrik Wüst. Wie’s der Zufall will, bereitet der mächtige NRW-Landesfürst gerade einen schillernden Auftritt in der Hauptstadt vor. Mit SPD-Mann Peer Steinbrück will er dort seine „Modernisierungsagenda für Deutschland“ vorstellen. Schon in der Überschrift stecken zwei Schienbeintritte gegen Merz: Eine Agenda ist eigentlich Kanzlersache – und „modern“ keine Zuschreibung, die man gemeinhin mit Merz verbindet.
Und noch einer dürfte zur Stelle sein, falls die Umfragen noch schlechter werden und parteiintern nicht mehr nur der bockigen SPD, sondern auch Merz und seinem Fraktionschef Jens Spahn angelastet werden: Markus Söder hat, auch wenn er sich Merz gegenüber loyal verhält, seinen Kanzlertraum noch nicht beerdigt. Bezeichnend war der Deutschlandtag der JU am Wochenende. Da gab es eisiges Schweigen für Merz, aber Jubel für den CSU-Chef. Also den Mann, der mit seiner Mütterrente dem Kanzler dessen Rentenproblem mit eingebrockt hat. Politik ist manchmal ungerecht. Immer aber folgt sie der Logik von Wahlterminen: Söder hat seine Bayernwahl im Herbst 2028 und dürfte wenig Lust verspüren, in den Sog der planmäßig sechs Monate später stattfindenden Bundestagswahl zu geraten. Wenn AfD und Freie Wähler die Landtagswahl zur Abstimmung über Schwarz-Rot in Berlin machen, könnte das für die CSU böse enden. Man darf gespannt sein, wie Söder dieses Problem löst.GEORG.ANASTASIADIS@OVB.NET