Schwierige Partnerschaft: Hubert Aiwanger (li., Freie Wähler) und Markus Söder (CSU) liegen nicht zum ersten Mal über Kreuz. © picture alliance
München – Bayerns einstiger Law-and-Order-Politiker hat offenbar auch heute noch disziplinierende Wirkung. Von Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze wurde Günther Beckstein gerade erst für seine „ruhige Hand“ gelobt, mit der er den Runden Tisch zur Weiterentwicklung der Bürgerbeteiligung geleitet habe. Unter dem Vorsitz des ehemaligen Ministerpräsidenten und langjährigen Innenministers von der CSU wurde bis in den Sommer darüber beraten, wie man das Verhältnis von lokalem Bürgerwillen und dem Allgemeinwohl-Interesse in ein neues Gleichgewicht setzen könnte. Der Hintergrund: Von Wählern abgelehnte Windparks und verhinderte Krankenhauspläne hatten Eindruck hinterlassen – nicht nur bei Markus Söder, der 17 Jahre nach Beckstein die Staatskanzlei führt. Bürgerentscheide würden „zunehmend auch gerne als Blockade eingesetzt“, befand der Ministerpräsident.
An Becksteins Rundem Tisch nahmen deshalb zwei CSU-Minister Platz, Verbände natürlich, und je ein Vertreter aller Landtags-Fraktionen außer der AfD. Nach der letzten Sitzung im Sommer konnte der 81-Jährige auch ein Ergebnis vorlegen. Kernpunkt: Gerade die Krankenhausplanung sei ein „Sonderfall“, den man nicht Bürgerentscheiden überlassen könne. Darüber habe breiter Konsens geherrscht. Fast schon Einigkeit. Nur die Freien Wähler sahen es als einzige anders.
Nun sind die Freien Wähler allerdings der andere Teil der Koalition, den die CSU braucht, um den Freistaat zu regieren. Wenn in der Staatskanzlei an einem entsprechendem Gesetz gearbeitet wird, wollen sie mitreden. Und sie sehen es noch immer ganz anders. Weniger Bürgerbeteiligung? Von wegen. „Insgesamt wäre mehr direkte Demokratie wünschenswert, bis hin zu bundespolitischen Themen“, sagt Parteichef Hubert Aiwanger unserer Zeitung – auch wenn man natürlich aufpassen müsse, dass dieses Instrument „nicht nur einseitig zur Blockade wichtiger oder sinnvoller Vorhaben genutzt wird.“ Der stellvertretende Ministerpräsident rät: „Wichtig ist es, örtliche Konflikte möglichst im Vorfeld zu entschärfen, beispielsweise durch Bürgerdialog, um die Argumente konstruktiv auszutauschen.“
Insbesondere bei den Krankenhäusern schieben die Freien Wähler einen Riegel vor. „Nach Gutsherrenart etwas herauszunehmen, worüber die Bürger nicht mehr mitentscheiden dürfen – das geht mit uns nicht“, sagt Fraktionschef Florian Streibl unserer Zeitung. Ohnehin sei der Einfluss der Menschen auf ihre eigene Gesundheitsversorgung vor Ort schon gering. „Der Bürger darf als Souverän nicht am Ende weniger Rechte haben als der Gemeinderat“, sagt Streibl. „Es ist überhaupt nicht in Stein gemeißelt, dass die Ergebnisse eines Runden Tischs genau so umgesetzt werden müssen.“
Dass es zwischen Söders CSU und Aiwangers Freien Wählern immer wieder Knatsch gibt, ist nichts Neues. Aiwangers Impfweigerung in Pandemiezeiten, seine Rede in Erding („Demokratie zurückholen“), die enorme Schuldenaufnahme im Bund, Söders demonstratives Liebäugeln mit der SPD – um nur einige Höhepunkte dieser schwierigen Beziehung zu nennen. Auch diesmal hält sich die Begeisterung in der CSU über den Vorstoß der Freien Wähler in sehr engen Grenzen. Zumindest koalitionsintern dürfte es wohl Ärger geben.
Auch ist denkbar, dass ein neuer Konflikt sich auf andere Politikfelder auswirken könnte. Beim Jagdgesetz etwa, das für Jagd- und Wirtschaftsminister Aiwanger mindestens ähnlich wichtig ist wie die Reform der Bürgerbeteiligung für die CSU, wurde erst im September mühevoll ein Kompromiss gefunden. Söder selbst hatte nach langem Streit zwischen Forstministerin Michaela Kaniber (CSU) und Aiwanger vermittelt.
Streibl betont allerdings auch, dass man beim Thema Bürgerbeteiligung zwar die Diskussion mit der CSU suche, aber „keinen Streit“. Auch Aiwanger zeigt sich zuversichtlich: „Die Koalition wird eine gute Lösung finden.“