Friedensmission in den Nahen Osten

von Redaktion

Vatikanstadt/Iznik/Beirut – Ein halbes Jahr ist Papst Leo XIV. jetzt im Amt – und am kommenden Donnerstag startet er zu seiner ersten großen Auslandsreise, mit der er spannende ökumenische, aber auch bedeutende politische Akzente setzen kann. Die sechstägige Visite führt ihn in die Türkei und in den Libanon.

Anlass der Reise ist ein Jubiläum eines Ereignisses, das weit in die Kirchengeschichte zurückreicht: Vor 1700 Jahren hatte Kaiser Konstantin I. in Nizäa, der heutigen verschlafenen Kleinstadt Iznik, das erste ökumenische Konzil einberufen. Gestritten wurde vor allem über die Frage nach der Natur von Jesus und dessen Stellung gegenüber Gottvater und dem Heiligen Geist.

Das Ergebnis war eine Einigung auf das Glaubensbekenntnis, das die Göttlichkeit von Jesus und die Wesenseinheit von Gott dem Vater, Jesus dem Sohn und dem Heiligen Geist (Trinität=Dreieinigkeit) bekräftigte. Bis heute ist es für fast alle christlichen Konfessionen gültig. Außerdem gab es die Empfehlung, dass alle Kirchen Ostern am selben Tag feiern sollen – nämlich am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond. Die Spaltung in Ost- und Westkirche im Jahr 1054 konnte trotz aller folgenden Ökumenischen Konzile nicht verhindert werden.

Welche kirchen- und weltpolitischen Akzente wird Papst Leo auf dieser Reise setzen? Viele Fragen ranken sich um die Reise an die Nahtstelle zwischen Orient und Okzident. Das katholische Kirchenoberhaupt trifft gleich am ersten Tag der Visite in Ankara den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Da es sich um einen Höflichkeitsbesuch handelt, dürfte man dort keine kritischen Töne von Leo XIV. erwarten. Trotzdem schwingt viel mit – sowohl Erdogans Vermittlerrolle in den Kriegen in Nahost und der Ukraine sowie bei der Flüchtlings-Krise, als auch die innenpolitischen Probleme in Bezug auf die Menschenrechte in der Türkei.

Für den eigentlichen Anlass der Visite ist am Freitag, 28. November, relativ wenig Zeit vorgesehen. Papst Leo fliegt mit dem Hubschrauber von Istanbul nach Iznik, wo ein einstündiges ökumenisches Gebetstreffen nahe den Ausgrabungen der antiken Basilika stattfindet. Zurück in Istanbul wird mit Spannung erwartet, wie sich Papst Leo in der Sultan-Ahmed-Moschee verhalten wird: Eine Gebetsgeste in dem islamischen Gotteshaus könnte als Affront gewertet werden.

Ein weiterer ökumenischer Höhepunkt dürfte auch die Begegnung mit dem Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, Seiner Heiligkeit Bartholomaios I., am Samstag sein. Es soll eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet werden. Ob sie eine Überraschung birgt?

Am Sonntag reist Papst Leo mit seinem Tross aus Mitarbeitern, Schweizer Gardisten und rund 70 Journalisten weiter in den Libanon – durchaus eine riskante Reise. Erst in der vergangenen Woche gab es einen israelischen Luftangriff auf eine palästinensische Flüchtlingssiedlung im Südlibanon mit mindestens 13 Toten. Israel sprach von einem Angriff auf die islamistische Hamas. Vom Papst erwarten Beobachter deutliche Worte für einen ersehnten Frieden im Nahen Osten. Im krisengeschüttelten Libanon trifft er Präsident Joseph Aoun, Parlamentspräsident Nabih Berri und Ministerpräsident Nawaf Salamen. CLAUDIA MÖLLERS

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