„Manchmal knallt es auch“

von Redaktion

„Wir verhandeln hart, aber am Ende klappt es“: Jens Spahn (45) führt seit Mai die Unionsfraktion. © Astrid Schmidhuber

Feueralarm in der Koalition: In diesen Tagen muss Fraktionschef Jens Spahn alle Zeit und Energie darauf verwenden, den Renten-Kompromiss von Union und SPD zu retten. Junge Abgeordnete von CDU und CSU stellen sich frontal dagegen. Im Interview spricht Spahn über die Lage – und fordert Vernunft von seiner Fraktion ein.

Herr Spahn, veranstalten Sie schon Zählappelle in der Fraktion, ob Sie genügend Stimmen für das Rentenpaket zusammenkriegen?

Wir reden jetzt vor allem viel miteinander. Ich weiß, wie die Lage in der Fraktion ist.

Es gibt Medienberichte, wonach es schon 50 Abweichler geben soll – die finden, der Kompromiss gehe zu sehr zulasten der Jungen.

Für die Argumente der Jungen Gruppe und der Jungen Union gibt es viel Verständnis und Sympathie. Gleichzeitig haben alle das große Ganze im Blick: Diese Koalition muss regierungsfähig sein, wenn wir etwas erreichen wollen für unser Land. Für die SPD sind stabile Renten ein so entscheidendes Thema wie für uns Sicherheit, Begrenzung der irregulären Migration oder Ankurbeln der Wirtschaft. Das abzuwägen, ist klassische Verantwortungsethik in der Politik und gilt genauso für uns wie die SPD. In diesem Bewusstsein verhandeln wir.

Frau Reichinnek von der Linkspartei bietet der schwarz-roten Koalition ja schon Leihstimmen im Bundestag an. Freuen Sie sich?

Netter Versuch. Wir wollen und werden eine eigene Mehrheit haben.

Verraten Sie uns, ob es Kompromissideen gibt, wie man die Jungen zur Zustimmung bewegen kann?

Sehen Sie mir bitte nach, dass ich nicht den Stand der internen Gespräche ausbreite. Die Junge Gruppe hat jetzt schon beachtliche Erfolge vorzuweisen. Dank ihnen findet eine wirklich breite Rentendebatte statt. Die brauchen wir, denn in den 30ern gehen die Babyboomer, also die geburtenstarken Jahrgänge, in Rente – und die Rentenversicherung ist darauf nicht gut vorbereitet. Es ist ein Erfolg der jungen Abgeordneten, dass wir die Rentenkommission jetzt früher einsetzen – noch im Dezember – und viel schneller, nämlich in einem halben Jahr, Ergebnisse mit Substanz erhalten.

Kommt da wirklich etwas Tragfähiges raus?

Der Auftrag an die Kommission wird jetzt viel umfassender als ursprünglich geplant. Es muss eine neue Rürup-Kommission werden. Es geht um Themen wie die Lebensarbeitszeit, mehr private kapitalgedeckte Vorsorge und das Versorgungsniveau – diesen breiteren Arbeitsauftrag haben wir in den letzten Tagen verabredet. Dass die SPD sich offen zeigt für größere Reformschritte, ist ein echter Erfolg der Jungen Gruppe.

Sagen Sie: Die Menschen müssen später als mit 67 in Rente gehen?

Die entscheidende Lösung ist: Wachstum. Wenn wir dieses Land nicht auf Wachstumskurs bringen nach drei Jahren Schrumpfung, dann können wir Pflege-, Kranken-, Rentenversicherung kaum noch stemmen. Die Rückkehr zu stetigem Wachstum ist die Schicksalsfrage unseres Landes. Klingt banal, ist aber so.

Sie weichen der Frage aus!

Nein! Das Renteneintrittsalter gehört auch in die Rentenkommission, natürlich müssen die darüber reden, wie es in den 30er-Jahren bei steigender Lebenserwartung weitergeht. 2031 werden wir bei 67 Jahren Renteneintrittsalter angekommen sein. Das vorliegende Rentenpaket bietet mit der kapitalgedeckten Frühstartrente übrigens schon einen für Deutschland neuen Ansatz, der ein wichtiger Teil der Lösung sein wird.

Könnte der Kanzler die Abstimmung mit der Vertrauensfrage verbinden, um die Abweichler auf Kurs zu zwingen?

Jeder weiß auch so, worum es geht.

SPD-Chefin Bas hat bereits mit Koalitionsbruch gedroht. Wenn die Renten-Abstimmung scheitert – ist die SPD dann weg?

Wenn wir als Koalition ein Gesetz zur Abstimmung stellen, muss es eine Mehrheit haben. Dafür tragen beide Koalitionspartner die gleiche Verantwortung.

Sie haben gesagt, die Union werde nicht mit der SPD sterben. Seither spukt das Gespenst Minderheitsregierung herum. Wäre das die letzte Option, wenn die Koalition mal zerbricht?

Nein. Union und SPD gewinnen gemeinsam und verlieren gemeinsam – aber nicht auf Kosten des anderen. Wir sind also zum Erfolg verpflichtet und arbeiten jeden Tag daran. Das ist anstrengend, manchmal knallt es auch, wir verhandeln hart – aber am Ende klappt es. Die Wehrdienst-Einigung zum Beispiel hat gezeigt, dass wir gute Kompromisse finden, die wir zu Entscheidungen führen. Eine Minderheitsregierung ist sicher keine Alternative, das führt ins Chaos und in die Unregierbarkeit. Wir brauchen eine stabile Mehrheit, auf die sich der Kanzler auch in dieser weltpolitischen Lage verlassen kann.

Ihr Wort: Keine Minderheitsregierung?

Wer immer an dieses Szenario glaubt, hat es nicht zu Ende gedacht. Ein Koalitionsbruch würde direkt zu Neuwahlen führen.

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