Johannesburg/Genf – Mit seinem neuen Ukraine-Friedensplan hat US-Präsident Donald Trump seine europäischen Verbündeten in Alarmstimmung versetzt. Beim G20-Gipfel in Johannesburg haben sich die Europäer am Wochenende sortiert. In den nächsten Tagen wird es nun unter massivem Zeitdruck darum gehen, doch noch eine Lösung zu finden, die für sie und die von Russland angegriffene Ukraine akzeptabel ist.
Der Anfang sollte bei einem Treffen in Genf gemacht werden, an dem neben Delegationen aus verschiedenen europäischen Staaten für die USA Außenminister Marco Rubio und für die Ukraine Präsidentenberater Andrij Jermak teilnahmen. Für Deutschland flog Kanzlerberater Günter Sautter direkt von Johannesburg in die Schweiz. Rubio kündigte nach ersten Gesprächen an, dass Änderungen in den Friedensplan eingearbeitet werden sollen. „Ich denke, wir haben enorme Fortschritte erzielt“, sagte der US-Außenminister am Sonntagabend. Er sei daher „sehr optimistisch“, dass „sehr bald“ eine Einigung erzielt werden könne.
„Kriege können nicht beendet werden durch Großmächte über die Köpfe der beteiligten Länder hinweg“, hatte Bundeskanzler Friedrich Merz zuvor als Losung für den Verhandlungsprozess ausgegeben. Er hoffe auf eine neue Dynamik in den Bemühungen um eine Beendigung des Krieges, an der auch Russland beteiligt werden müsse, so der Kanzler weiter.
Der ursprüngliche Plan der US-Regierung beinhaltet 28 Punkte. Viele davon sind für die Europäer inakzeptabel, weil sie einer Kapitulation der Ukraine gleichkommen. Unter anderem solle die Ukraine akzeptieren, dass ein erheblicher Teil ihres Staatsgebiets künftig zu Russland gehört – dabei geht es sogar um Gebiete, die bislang nicht von den russischen Streitkräften erobert wurden. Zudem solle die Ukraine einer Begrenzung ihrer Streitkräfte zustimmen.
Als Reaktion auf den Friedensplan haben Deutschland, Frankreich und Großbritannien Änderungsvorschläge erarbeitet. Nach Angaben aus Verhandlungskreisen sollte es unter anderem um weitere Sicherheitsgarantien und den Punkt der Gebietsabtretungen an Russland gehen.
Nach Informationen der dpa soll die Regierung in Kiew in dieser Version der Friedensinitiative keine Gebiete abgeben müssen, die sie bislang noch selbst kontrolliert. Zudem sei auch keine de facto Anerkennung der von Russland eingenommen Gebiete vorgesehen. Ebenso sehen die Vorschläge vor, die Größe der ukrainischen Streitkräfte nur auf 800 000 statt auf 600 000 Soldaten zu begrenzen und eingefrorenes russische Staatsvermögen nur dann freizugeben, wenn Russland Ausgleichszahlungen für die Kriegsschäden leistet. Zudem soll ein Nato-Beitritt der Ukraine nicht mehr explizit ausgeschlossen sein und auch keine allgemeine Amnestie für Kriegsverbrechen gewährt werden. Aus EU-Kreisen hieß es am Abend allerdings, einige Vorschläge seien möglicherweise schon wieder überholt.
Die Europäer wollen ihre Ideen explizit nicht als Gegenvorschlag verstanden wissen, um die Amerikaner nicht von vorneherein zu verprellen. Für sie ist der Umgang mit dem US-Plan ein hochriskanter Drahtseilakt. Sie sehen das große Risiko, dass sich die Sicherheitslage noch einmal verschlimmern könnte, sollten Russland nun weitreichende Zugeständnisse gemacht werden. Zugleich sind viele Staats- und Regierungschefs zu Hause mit kriegsmüden Wählern konfrontiert, die die kostspielige Unterstützung für die Ukraine mehr und mehr infrage stellen.
Andrij Jermak sprach ebenfalls von einem „sehr produktiven“ ersten Treffen, bei dem gute Fortschritte erzielt worden seien. Endgültige Entscheidungen werden „unsere Präsidenten“ treffen. Er bedankte sich bei den USA und US-Präsident Donald Trump – der Kiew zuvor erneut mangelnde Dankbarkeit vorgeworfen hatte. Die Gespräche sollten bis in die Nacht fortgesetzt werden.