Provokante Premierministerin: Sanae Takaichi treibt China zur Weißglut. © afp
Taipeh – Sie gilt in Tokio als „Eiserne Lady“. Sanae Takaichi war Schlagzeugerin in einer Heavy-Metal-Band, fuhr Motorrad, wurde als Fernsehmoderatorin berühmt – und ist seit Kurzem Japans erste Premierministerin. Bei Amtsantritt versprach die 64-Jährige, Japan werde auf der Weltbühne „wieder erstrahlen“. Nun, keine vier Wochen später, hat sie sich mit der Weltmacht China angelegt – und eine Krise ausgelöst, in der sich das Verhältnis beider Länder von Tag zu Tag dramatisch verschlechtert.
Der Streit begann mit einer Parlamentsrede am 7. November. Die stramm konservative Regierungschefin deutete an, dass sich Japan im Falle eines chinesischen Angriffs auf das nur 100 Kilometer entfernte Taiwan militärisch einmischen könnte. „Wenn Kriegsschiffe und militärische Handlungen im Spiel sind, kann es durchaus zu einer lebensbedrohlichen Situation werden“, sagte Takaichi. So weit ist noch kein Vorgänger gegangen. Für China ist jede Einmischung in die Taiwan-Frage ein Tabubruch. Die kommunistische Führung betrachtet die demokratisch regierte Insel als abtrünnige Provinz und droht seit Jahren immer offener damit, Taiwan mit dem Festland zu „vereinigen“ – notfalls mit Gewalt.
Pekings Reaktion fiel heftig aus. Der chinesische Generalkonsul in Osaka, Xue Jian, bezeichnete Takaichis Aussage auf der Plattform X als einen „Todesweg, den nur einige dumme Politiker in Japan wählen würden“. Der „schmutzige Kopf“, der sich einmische, müsse „abgeschlagen werden“. Der Beitrag wurde inzwischen gelöscht.
Offiziell warnte Peking, Tokio würde eine „vernichtende“ militärische Niederlage erleiden, sollte es sich in einen Taiwan-Konflikt einmischen. Kurz darauf schickte die Kommunistische Partei vier bewaffnete Schiffe der Küstenwache in die Gewässer um die von Japan kontrollierten Senkaku-Inseln.
Inzwischen warnt China seine Bürger sogar vor Reisen nach Japan. Die Sicherheit und das Leben von Chinesen seien dort gefährdet, heißt es von der chinesischen Botschaft in Tokio. Staatliche Fluggesellschaften wurden angewiesen, bei Stornierungen den vollen Ticketpreis zu erstatten. Zudem hat Peking den Import japanischer Meeresfrüchte gestoppt und Konzerte japanischer Musiker kurzfristig abgesagt.
Der Konflikt entwickelt sich zu einer Art Handelskrieg. Für Japans Wirtschaft ist das hochriskant: Chinesen stellen die größte Gruppe ausländischer Touristen. Nach den USA ist China der zweitwichtigste Exportmarkt des Landes. 2024 hat Japan Waren im Wert von rund 125 Milliarden Dollar nach China geliefert, darunter vor allem Industrieanlagen, Halbleiter und Autos.
Laut „Financial Times“ fürchten Beamte in Tokio, der Streit sei erst der Beginn einer längeren Eiszeit zwischen beiden Ländern. Demnach testet China mit seiner Eskalation auch, wie sehr sich die USA als Schutzmacht Japans einmischen würden. Der US-Botschafter in Tokio, George Glass, hat Pekings Reaktion als unverschämt bezeichnet – und Takaichi bereits versichert, dass sie auf Washington zählen könne. „Wir stehen hinter ihr“, erklärte er.KATHRIN BRAUN