Ihr Haushalt fließt zu großen Teilen in Soziales: Finanzminister Lars Klingbeil (l., SPD) und Kanzler Friedrich Merz (CDU). © dpa
München – Deutschland gibt inzwischen mehr Geld für den Sozialstaat aus als die skandinavischen Staaten. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) investiert Deutschland 41 Prozent der Gesamtausgaben für die soziale Sicherung –das ist mehr Geld als in jedem anderen europäischen Staat einschließlich der nordischen Länder.
Die nordischen Länder sowie Österreich und die Schweiz geben jeweils 40 Prozent für die soziale Sicherung aus, in den Benelux-Ländern sind es 38 Prozent. Der EU-Durchschnitt liegt bei 39 Prozent. Bei Ausgaben für das Gesundheitswesen (16 Prozent) liegt Deutschland zusammen mit den Benelux- und den nordischen Ländern an der Spitze.
Schweden, Finnland und Dänemark haben ihren einstigen „Wohlfahrtsstaat“ in den letzten Jahren kräftig zurückgestutzt: In Finnland wurde das Arbeitslosengeld radikal gekürzt, Dänemark erhöhte die Lebensarbeitszeit (angepasst an die Lebenserwartung) auf 70 Jahre, in Schweden verlieren Alleinerziehende bis zu 40 Prozent der Unterstützung.
Das IW hat die Ausgaben Deutschlands insgesamt und in verschiedenen Bereichen für die Jahre 2001 bis 2023 untersucht. Als westeuropäische Vergleichsregionen hat das Institut die Benelux-Länder, Österreich und die Schweiz sowie die nordischen Länder Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und Island herangezogen, die mit Blick auf ihre wirtschaftliche Entwicklung und kulturelle Prägung Deutschland relativ ähnlich sind.
Das brisante Fazit des arbeitgebernahen Instituts mitten im Rentenstreit der Bundesregierung: Die Politik müsse „einem weiteren Aufwuchs der staatlichen Aktivität und vor allem der Sozialausgaben entgegentreten“. Das gelte auch für Ausgaben im Gesundheitswesen.
Im Vergleich besonders hoch sind demnach hierzulande auch die Ausgaben für die öffentliche Verwaltung, die in Deutschland über den Untersuchungszeitraum kräftig gestiegen seien – von 7,2 auf zuletzt 11 Prozent. Schlusslicht ist Deutschland dagegen im Bildungsbereich mit zuletzt 9,3 Prozent der Gesamtausgaben. Österreich und die Schweiz liegen der Studie zufolge fast 50 Prozent darüber. Auch bei Personal (17 Prozent) und öffentlichen Investitionen (6,2 Prozent) hinkt Deutschland im Erfassungszeitraum hinterher.
Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 ist der Anteil der Verteidigungsausgaben nach einem vorübergehenden Abfall bis Mitte der 2010er Jahre vor allem in den nordischen Ländern wieder gestiegen. Gemessen an den Gesamtausgaben betrug dieser zuletzt 3,4 Prozent. Das entspricht in etwa dem Wert des Jahres 2001. Der EU-Durchschnitt fiel dagegen von 3,0 auf 2,8 Prozent, die Benelux-Länder von 3,0 auf 2,6 Prozent und Österreich/Schweiz von 2,4 auf 1,9 Prozent. Deutschland hielt seinen Wert von etwa 2,3 Prozent.
Gemessen an der Wirtschaftsleistung, die auch die Berechnungsgrundlage für das Zwei-Prozent-Ziel der Nato ist, sieht die Lage etwas anders aus. Demnach lag der Anteil der Verteidigungsausgaben in allen verglichenen Ländern und Ländergruppen unterhalb von 2 Prozent, wobei die nordischen Länder mit Werten von 1,3 bis 1,7 Prozent vorn lagen. Deutschland kam auf 1,1 Prozent. In Österreich und der Schweiz, die beide nicht der Nato angehören, ging der Wert gar von 1,0 auf 0,7 Prozent zurück. Das IW erwartet aber aufgrund der geopolitischen Entwicklungen steigende Ausgaben in ganz Europa.