Es ist erstaunlich, wie weit die gedankliche Selbstbeschränkung bisweilen reicht. Während der Kreml regelmäßig seine imperialen Maximalfantasien für einen „Frieden“ wiederholt, verbietet man sich hierzulande manche Idee von vornherein. Die Bundesregierung will zum Beispiel partout nicht über europäische Friedenstruppen in der Ukraine reden. Doch der aktuelle Druck aus Paris, London und dem Baltikum zeigt: Eine ernsthafte Debatte ist unvermeidlich.
Damit ist selbstverständlich nicht gesagt, dass es eine einfache Antwort gäbe. Ob eine solche Truppe den Kreml wirksam abschrecken würde, wie Frankreichs Präsident behauptet, ist alles andere als sicher. Vielleicht lädt sie Moskau, das Europas Risikoscheu inzwischen gut kennt, ganz im Gegenteil zu Provokationen ein – die Gefahren liegen auf der Hand. Außerdem knüpfen Paris und London ihre Bereitschaft zur Truppen-Entsendung an US-Unterstützung. Nur: Stand jetzt gibt es keine klare Ansage aus Washington, dessen Versprechen ohnehin an Wert verloren haben.
Die Liste der Bedenken ließe sich fortsetzen. Doch wer sich davon überwältigen lässt, verliert das Wichtigste aus dem Blick: Wenn Europa die langfristige Herausforderung durch Russland ernst nimmt, wenn es im Ringen um einen Waffenstillstand – letztlich die eigene Sicherheit – ernst genommen werden will, muss es zu einem substanziellen Beitrag zur Friedenssicherung bereit sein. Paris und London haben das verstanden. Ihre Vorschläge sind betont defensiv (klar umrissenes Mandat, keine Soldaten an der Front). Es geht ihnen um Prävention, nicht – wie manche Kreml-Lautsprecher behaupten werden – um Provokation.
Man kann das Szenario für unrealistisch halten. Und klar ist: Selbst wenn es zur Entsendung käme, wären ein paar tausend Soldaten aus dem Westen nur ein Teil jener Sicherheitsgarantien, die die Ukraine braucht. Die wohl wirksamste ist, das Land militärisch so auszustatten, dass es die Russen aus eigener Kraft von neuen Angriffen abhalten kann. Das nötige Geld liegt praktischerweise auf belgischen Konten herum. Russische Zentralbank-Milliarden zu nutzen, um die Ukraine zum „Stachelschwein“ zu machen, hätte jedenfalls Charme.