„Verbrecher Putin lacht uns aus“

von Redaktion

„Franz Josef Strauß würde heute die europäische Armee fordern“: EVP-Chef Manfred Weber © Filip Singer/EPA

Europa sitze international zu oft nur am Katzentisch, beklagte Manfred Weber mehrfach. Jetzt ist sogar der Katzentisch weg – ein Ukraine-Deal droht von Trump und Putin komplett über Europas Köpfe hinweg verhandelt zu werden. Weber, Chef der Europäischen Volkspartei und Vize der CSU, fordert nun endlich ein Aufbäumen Europas. Der 53-Jährige aus Niederbayern will auch auf dem CSU-Parteitag in zwei Wochen eine historische Debatte führen über einen Paradigmenwechsel auf dem Kontinent – hin zum Aufbau einer europäischen Armee.

Ukraine-Verhandlungen ohne Europa, zulasten unserer Sicherheit – würden Sie sagen: Trump hat den Westen verraten?

Diese Tage waren eine Zäsur. Wir lernen, dass sich Amerika nur noch als Dealmaker versteht, nicht mehr als Führer der freien Welt. Das Nato-Fundament ist erschüttert. Europa muss sich auf neue Zeiten vorbereiten. Wir sind allein in einer kalten Welt.

Wie würde ein aus Ihrer Sicht besserer Friedensplan aussehen für die Ukraine?

Ich weigere mich, diese 28 Punkte einen Friedensplan zu nennen. Dieser Entwurf will eine Kapitulation der Ukraine und eine Belohnung für Putin – einen Kriegsverbrecher, der hunderte Kinder getötet hat, für sechs Millionen Flüchtlinge und die komplette Zerstörung großer Landesteile der Ukraine verantwortlich ist. Ich fürchte, Putin sitzt im Kreml und lacht über diese chaotischen Debatten.

Wie kann ein gerechter Frieden denn aussehen?

Für uns als Europäische Volkspartei sind mehrere rote Linien klar: Eine Abgabe von freien Gebieten der Ukraine ist absolut undenkbar, ebenso eine Amnestie für russische Kriegsverbrecher – denken Sie an Butscha! Und am wichtigsten: Die Ukraine muss bei einem Waffenstillstand oder gar Friedensschluss militärisch gestärkt statt geschwächt werden. Hier verläuft unsere Frontlinie zum Autokraten Putin, zur Diktatur in Russland.

Glauben Sie noch an ein Ruhen der Waffen 2026?

Wir werden Frieden bekommen. Aber nur durch Stärke und Selbstbewusstsein. Dazu gehört, dass Europa die dauerhafte Finanzierung der Ukraine sichert – durch das rechtssichere Heranziehen der riesigen russischen Geldanlagen, die derzeit in Belgien gesperrt sind. Russland soll bezahlen für das, was Putin unprovoziert in der Ukraine angerichtet hat.

Am Ende wird es Sicherheitsgarantien geben müssen. Wer stellt die? Trump?

Europa muss Verantwortung übernehmen. Das ist dann der Moment, in dem wir europäische – nicht nationale – Friedenstruppen in die Ukraine entsenden müssen.

Diese Truppen gibt es (noch) nicht.

Wir müssen jetzt den Weg zu einer europäischen Armee einschlagen. Also zügig mit einer Koalition der Willigen beginnen, eine Kommandostruktur schaffen, einen Drohnenwall aufbauen, Raketenschutzschirm, Cyber-Abwehr–Brigade, gemeinsame Satellitenaufklärung. Wir brauchen eine europäische Nato mit Beistandsverpflichtung untereinander. Bei all dem drängt die Zeit, denn die Angriffe auf Europa gibt es ja längst – Cyber-Attacken auf uns, Drohnen-Angriffe auf den Münchner Flughafen, Desinformation auf Social Media.

Also die Preisgabe nationaler Souveränität in aufgewühlten Zeiten. Wie erklären Sie das Konservativen?

Ich bin mir sicher, Franz Josef Strauß würde heute die europäische Armee fordern. Er würde das von uns verlangen, gerade mit Blick auf das Bundeswehrland Bayern! Die CSU muss jetzt historisch führen, damit wir morgen dauerhaft Frieden durch Stärke sichern können.

Sicher, dass sich Europa damit nicht übernimmt?

In den nächsten zehn Jahren will ganz Europa 6,4 Billionen Euro für die Verteidigung ausgeben. Unglaubliche Summen, und das ist richtig so. Das ist genauso viel Geld, wie die Amerikaner einplanen – warum aber hinken wir bei der Verteidigungsfähigkeit so weit hinterher? Weil wir massiv Geld verschwenden mit zig Beschaffungsstrukturen, elf verschiedenen Panzer-Arten, einem scheiternden deutsch-französischen Kampfjet-Projekt. Die zwischenstaatliche Zusammenarbeit funktioniert nicht.

Sie wollen eine europäische Armee grundlegend auf dem CSU-Parteitag beraten. Spüren Sie Sehnsucht in Ihrer Partei nach historischen Debatten?

Es ist ein historischer Moment, als CSU-Europagruppe wollen wir diese Debatte. Und wir haben verdammt gute Argumente. Unterstützt übrigens auch von Theo Waigel, der die europäische Einigung mit dem Euro unaufkündbar machte und uns eine starke Währung gegeben hat. Es waren die besten Zeiten von CDU und CSU, als wir das Land historisch geführt haben. Raus aus dem Klein-Klein der Tagespolitik, so wichtig das auch ist, und Antworten finden auf die großen Aufgaben. Die CSU muss auf dem kommenden Parteitag die größte Aufgabe unserer Zeit zum Thema machen: Sicherheit gewährleisten und Frieden sichern.

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