Bedenkzeit bis Dienstag: JU-Bundeschef Johannes Winkel (li.) und Pascal Reddig, Vorsitzender der Jungen Gruppe. © dpa
Berlin – Eine Einigung im Rentenstreit gibt es auch nach dem Koalitionsausschuss nicht – aber ein Angebot der Koalitionsspitzen, das die Renten-Rebellen in der Union zur Zustimmung bringen soll. Kanzler Friedrich Merz zeigt sich nach einem einstündigen Gespräch mit den jungen Abgeordneten am frühen Morgen zuversichtlich. „Ich rechne mit Zustimmung“, sagte er. Die Entscheidung soll in der nächsten Woche fallen.
Beim Kernanliegen lassen Merz und die SPD die rebellierende Junge Gruppe der Unionsabgeordneten in der Ecke stehen: „Der Gesetzentwurf soll nicht mehr geändert werden“, sagt der Kanzler. In dem Punkt hatte die SPD nicht mit sich reden lassen. Also bleibt es dabei, wie die Regierung mit dem Übertritt von Millionen Babyboomern in die Rente umgehen will: Verhindert werden soll, dass die Renten viel langsamer steigen als die Einkommen in Deutschland.
Dazu soll das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent gehalten werden. So weit, so gut. Nicht akzeptieren wollte der Unionsnachwuchs bislang einen einzigen Satz in dem Entwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD): „Auch nach 2031 liegt das Rentenniveau um rund einen Prozentpunkt höher als im geltenden Recht.“ Doch auch bei diesem Punkt soll es nun bleiben. Dabei hatte Junge-Union-Chef Johannes Winkel (CDU) gemahnt: „Man darf jetzt keine Vorfestlegung bis in die 30er-Jahre treffen mit über 120 Milliarden Euro, die jetzt beschlossen werden sollen.“
Auch wenn der Gesetzentwurf und damit das künftige Rentenniveau bleiben soll wie geplant, soll es Aspekte geben, die in eine Entlastung der heute jungen Generation und der Rentenkasse münden könnten. Konkretisiert werden soll das von der längst beschlossenen Rentenkommission, die noch dieses Jahr an den Start gehen und bis Ende des zweiten Quartals 2026 Vorschläge für ein weiteres Rentenpaket vorlegen soll. So steht es in einem neuen Begleittext zu dem bekannten Bas-Entwurf, der unserer Zeitung vorliegt. Die Koalitionsspitzen haben sich in ihrer Spitzenrunde im Kanzleramt auf den Entwurf dafür geeinigt.
Nicht nur Professorinnen und Professoren sollen in der Kommission sitzen, sondern auch Koalitionspolitiker – die junge Generation soll ebenfalls vertreten sein können, versicherte Merz. Das könnte jemand von der Jungen Gruppe sein – sie hätte dann unmittelbar Einfluss auf die Reform. Allerdings: Bekommen soll die Kommission lediglich Prüfaufträge.
Verhandelt werden soll dabei nun auch über ein bisheriges No-Go der SPD: ein späteres Rentenalter als 67. Technisch klingen andere Punkte auf der Prüfliste. Einer soll dafür sorgen, dass ein ungünstigeres Verhältnis von Einzahlenden und Rentnern die Renten dämpft. Ein anderer soll explizit die Kosten durch das 48-Prozent-Sicherungsniveau ausgleichen. Geprüft werden soll aber auch, ob beispielsweise Beamte bald in die gesetzliche Rente einbezogen werden – ein Tabu bei der Union. Der Kapitalmarkt spielt auch eine Rolle: Die Dividenden eines Zehn-Milliarden-Euro-Pakets des Bundes (aus Aktien etwa von Telekom oder Commerzbank) sollen den Aufbau privater Vorsorge der jungen Generation unterstützen.
Die Stunde der Wahrheit schlägt am Dienstag um 15 Uhr. Dann kommt die Unionsfraktion zu ihrer nächsten regulären Sitzung zusammen. Anders als bei der im ersten Anlauf geplatzten Wahl von Verfassungsrichtern – dem letzten großen Koalitionskonflikt – wird über die Rente nicht in geheimer, sondern in namentlicher Abstimmung entschieden. Das Gesetz anonym zu torpedieren, geht also nicht. Sollte sich in der Fraktionssitzung zeigen, dass die Stimmen ausreichen, dürfte noch in derselben Woche die Abstimmung im Bundestag stattfinden. Wenn nicht, bräuchte es wohl eine Verschiebung.
Bis kurz vor 2 Uhr hat Merz mit den Koalitionsspitzen beraten. Um 7 Uhr war er schon wieder im Bundestag, um zusammen mit Fraktionschef Jens Spahn mit den Abgeordneten der Jungen Gruppe zu sprechen. Es habe eine Reihe von „sehr konstruktiven, auch nachdenklichen Wortmeldungen“ gegeben, sagte er anschließend. Nach sofortiger Zustimmung hört sich das nicht an.
Unionsfraktionschef Spahn ist seit Tagen mit den Abgeordneten der Jungen Gruppe im Gespräch, um sie quasi im „Beichtstuhlverfahren zu bearbeiten“, also in Einzelgesprächen. Dass Winkel und der Vorsitzende der Jungen Gruppe, Pascal Reddig, zustimmen, erscheint derzeit eher unwahrscheinlich. Aber ein paar Stimmen der 18 Abgeordneten, die zu Beginn der Legislaturperiode 35 oder jünger waren, könnten reichen. Die Koalition hat eine Mehrheit von 12 Stimmen.