Rentenbeiträge auf Mieten?

von Redaktion

Tobias Hentze, Experte für Staat, Steuern und soziale Sicherung vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW).

München – An einem Sonntagabend im Januar, mitten im Bundestagswahlkampf, löste Robert Habeck mit nur einer Frage eine hitzige Debatte aus: „Warum soll eigentlich Arbeit höher belastet sein als Einkommen durch Kapitalerträge?“, sagte der damalige Kanzlerkandidat der Grünen im „Bericht aus Berlin“. Künftig, so seine Forderung, sollten auch auf Einkünfte aus Dividenden, Aktiengewinnen und Mieteinnahmen Abgaben gezahlt werden, um die stetig schrumpfenden Sozialkassen zu füllen.

Prompt folgte der Aufschrei. „Die Grünen wollen nicht nur höhere Steuern. Jetzt wollen sie auch noch ans Sparguthaben der Menschen und ihre Erträge ran“, kritisierte CSU-Chef Markus Söder. Die CDU erklärte kämperisch: „Wir sagen: Finger weg, Robert Habeck!“ Aus der SPD hieß es nur: „Ein alter Hut, das hat noch nie funktioniert.“

Es schien also, als dürfte der Vorschlag unter der schwarz-roten Bundesregierung von Kanzler Friedrich Merz (CDU) vom Tisch sein – doch im Streit über das Rentenpaket rückt er überraschend wieder in den Fokus. Im Ringen um einen Kompromiss formulierte Schwarz-Rot vergangene Woche einen „Begleittext“. Darin heißt es, die Rentenkommission solle sich unter anderem mit der „Einbeziehung weiterer Einkunftsarten in die Beitragsbemessung“ zur gesetzlichen Rentenversicherung beschäftigen. Bisher nur ein Prüfauftrag – kein Kommando.

Die gesetzliche Rentenversicherung wird derzeit überwiegend durch Beiträge auf Arbeitsentgelte finanziert, ergänzt durch Bundeszuschüsse aus Steuereinnahmen. Einkommen aus Mieteinnahmen oder Aktiengewinnen bleiben für Pflichtversicherte meist beitragsfrei. Daher die Forderung: Auch für Kapital- oder Mieteinkünfte sollten Rentenbeiträge bezahlt werden, um mit Blick auf das schrumpfende Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentnern eine zusätzliche Belastung der Arbeitseinkommen zu vermeiden.

Plant nun also ausgerechnet die Regierung von Merz, der die Idee im Januar noch als „Unsinn“ bezeichnete, die Habeck-Maßnahme umzusetzen? Tobias Hentze vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) ist der Meinung, dass mit der „Einbeziehung weiterer Einkunftsarten“ nur Kapitalerträge gemeint sein können. „Ich bin sehr überrascht, dass diese Idee wieder aufgegriffen wird. Das Echo auf Habecks Vorschlag war ja sehr negativ – sowohl von ökonomischer als auch von politischer Seite“, sagte Hentze unserer Zeitung.

Der Experte für Staat, Steuern und soziale Sicherung gehört selbst zu den Kritikern: Sozialabgaben auf Kapitalerträge würden lediglich zu mehr Bürokratie führen und die Wirtschaft schwächen. Außerdem träfe die Maßnahme überwiegend Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die neben der gesetzlichen Rente auch privat vorsorgen – etwa durch Investitionen auf dem Aktienmarkt. Über einem Freibetrag von 1000 Euro pro Jahr unterliegen Aktiengewinne einem Steuersatz von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag. „Wir haben also schon das Steuersystem für die Umverteilung“, so Hentze.

Zudem stelle sich die Frage, wo die Mehreinnahmen für die gesetzliche Rentenversicherung herkommen sollen, da vermögende Anleger in der Regel oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze von 8050 Euro pro Monat liegen – oder privat versichert sind.

Dennoch begrüßt Hentze, dass die Rentenkommission „auch Tabuthemen angeht“. Merz betonte bereits: „Es gibt keine Denkverbote.“ Andere im Begleittext erwähnte Maßnahmen, wie der Einbezug von Beamten und Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung oder die Koppelung des Renteneintritts an die Lebenserwartung, hält Hentze für sinnvoll. Sozialabgaben auf Kapitalerträge seien hingegen nur ein Versuch, schnell mehr Geld ins System zu pumpen. „Das ist keine langfristige, systematische Lösung der Probleme des deutschen Rentensystems.“

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