Bis Freitag hofft der Kanzler seine Renten-Rebellen endlich weichgeklopft zu haben. Sollte Friedrich Merz für die Zeit danach auf ein paar besinnliche Adventstage spekuliert haben, dann kann er die nach dem Juso-Kongress am Wochenende vergessen: Dort wurde der Regierungschef so übel beleidigt, wie es vor ihm noch keinem Kanzler beim Koalitionspartner passiert ist. Donnernden Applaus erntete die Juso-Chefin aus NRW dafür, dass sie CDU und CSU eine „Scheiß-Union“ nannte und Merz einen „komplett enthemmten Fritze“, während die anwesende Parteichefin Bärbel Bas zur Hasstirade gegen den Kanzler schwieg – und dem rasenden Parteinachwuchs gar noch Nachverhandlungen bei der Bürgergeldreform anbot. Die aber ist vom Kabinett längst abgesegnet.
Dieselbe SPD-Chefin, die der bedrängten Unionsführung bei der Rente jedes Entgegenkommen verweigert, fordert plötzlich genau das beim Bürgergeld für ihre Genossen ein. Schäbiger geht es kaum: Bas macht sich bei ihrem Parteinachwuchs lieb Kind, indem sie einen Koalitionskompromiss aufkündigt, während Merz es sich mit dem seinen verscherzt, um einen anderen Kompromiss zu retten. Dass die SPD-Co-Chefin das nicht aus Boshaftigkeit tut, sondern aus Überforderung und Machtlosigkeit und um sich beim linken Flügel anzubiedern, der die Bürgergeldreform gerade per Mitgliederentscheid zu kippen versucht, macht die Sache nur noch schlimmer: In dieser Form ist die SPD nicht regierungsfähig. Das dämmerte wohl auch Bas selbst, als sie den Jusos zurief, die SPD sei „in keiner guten Verfassung: Nicht inhaltlich, nicht organisatorisch und manchmal auch nicht in der Art, wie wir Debatten führen.“
Die vulgären Szenen vom Juso-Kongress, der offen gezeigte Hass auf den Koalitionspartner, auch Bas‘ eigener Aufruf zum Kampf gegen die Arbeitgeber lassen für die Zukunft der Regierung Schlimmes ahnen. Bisher haben Merz und Jens Spahn die JU-Rebellen auch mit dem Argument zu überzeugen versucht, dass die SPD danach anderswo nachgiebiger sein werde. Dafür aber spricht nach diesem Wochenende noch weniger als vorher. Die Union wird, wenn sie Koalition und Kanzler retten will, Kröten zu ihrer Leibspeise erklären müssen. Und mehr davon schlucken müssen, als gut ist für sie und das Land.
Bärbel Bas sollte umgekehrt vorsichtig sein mit ihren fortgesetzten Drohungen, die SPD könne die Koalition verlassen. Drohungen nutzen sich ab. Soll die SPD doch gehen. Dann muss sie aber den Wählern erklären, warum sie das Land jetzt ins Chaos stürzt. GEORG.ANASTASIADIS@OVB.NET