Wo politisch Eiseskälte Programm ist wie bei der weit ins Extreme kippenden AfD-Jugend am Wochenende in Gießen, da mag es sich wärmend und tröstlich anfühlen, wenn Zehntausende zu Gegendemos anreisen. Doch die Wahrheit ist leider differenzierter. Die Demos gegen die AfD sind an mehreren Stellen gekippt in Blockaden, Gewalt, Übergriffe Vermummter. Das ist nicht überraschend, solange in Teilen unseres Landes das hässliche Missverständnis gepflegt wird, je extremer links man stehe, desto glaubwürdiger könne man die Radikalen rechts bekämpfen.
Genau das geschah ja auch in Gießen. Der Protest aufrechter Demokraten, der an sich großen Respekt verdient, wurde teils unterwandert von gewaltbereiten Gruppen. Vielfach fehlt es aber auch an der Bereitschaft, sich klar von Radikalen auf beiden Seiten abzugrenzen. Man denke an Demos „gegen Rechts“, wo AfD, Bürgerliche, Konservative, Liberale allesamt als das gleiche Faschistenpack verhetzt werden. Das ist dann aber genau nicht die Mitte der Gesellschaft, die sich gegen die AfD erhebt, wie gern auch in manchen Medien romantisiert wird – sondern es sind Ränder, die sich aufschaukeln im Kampf gegeneinander, wobei sie auffällig den gemeinsamen Hass aufs System teilen.
Wer demonstriert, wer aufsteht, sollte sich nicht nur klar sein, gegen wen – sondern auch mit wem. Wo immer Proteste kippen, ist das ein schlechter Tag für die Demokratie. Denn die wirkliche Mitte wird dabei zerrieben.CHRISTIAN.DEUTSCHLAENDER@OVB.NET