Der umstrittene Juso-Auftritt: Bärbel Bas, Bundesarbeitsministerin und SPD-Chefin. © Harald Tittel/dpa
Berlin/München – Vor drei Wochen konnten sie noch lachen. „Gelegentlich streiten wir, gelegentlich“, verkündete SPD-Chefin Bärbel Bas nach einer Sitzung des Koalitionsausschusses. „Heute noch nicht“, konterte der CSU-Vorsitzende Markus Söder. „Nee, noch nicht“, witzelte Bas, dann allgemeine Heiterkeit vor den Kameras. Nun – die Witzellaune ist verflogen, und zwar gründlich. Zwischen Union und Bas persönlich herrscht eine massive, tiefgreifende Verstimmung.
Der Auslöser ist das Zerwürfnis zwischen Arbeitsministerin Bas und den deutschen Arbeitgebern, ein Eklat in zwei Teilen. Teil eins: Auf dem Arbeitgebertag letzte Woche wurde die SPD-Politikerin, die vom linken Flügel ihrer Partei stammt, für ihre sozialpolitische Rede offen ausgelacht. Teil zwei: Auf dem Juso-Bundeskongress wenig später tönte die Ministerin, das sei „ein Schlüsselerlebnis“ für sie. Es sei „da besonders deutlich“ geworden, „gegen wen wir eigentlich gemeinsam kämpfen müssen“. Das seien „meist Männer in bequemen Sesseln“ und „im Maßanzug“.
Eine Arbeitsministerin, die gegen Arbeitgeber „kämpfen“ will? Oder gleich gegen die Union? Seit Tagen schlägt Bas Zorn von Wirtschaft, CDU und CSU entgegen. Kleine Auswahl seit Montag: In einem Brandbrief machen 15 Verbände, die den Mittelstand repräsentieren wollen, Bas schwere Vorwürfe. Sie stelle sich mit ihren Äußerungen über Arbeitgeber gegen all diejenigen, „die tagtäglich Werte schaffen, Arbeitsplätze sichern, Innovationen hervorbringen und damit die Grundlage all jener sozialen Leistungen legen, die unser Gemeinwesen ausmachen“. Ihre „jungsozialistische Folklore und Unternehmer-Bashing“ sei „eine Zumutung“, schimpft der Mittelstandsverband BVMW.
Sogar der Kanzler rügt seine Ministerin. In der Fraktionssitzung der Union, aus der üblicherweise die lebhaftesten Sätze den Journalisten zugetragen werden, wird er von Medien zitiert, die Wortwahl sei „inakzeptabel“. Auch die für die Union schwierige Rentendebatte habe Bas unnötig angefacht. Bas keile „rüde“ los und lege Feuer, gibt ihn „Bild“ wieder. Fraktionschef Jens Spahn (CDU) äußert die Erwartung, dass die Ministerin mit den Arbeitgebern „ein klärendes Gespräch führt, um das aufzulösen“.
Auch aus der CSU gibt es schroffe Widerworte. „Ich verstehe, dass man gekränkt ist, wenn man öffentlich ausgelacht wird, das wäre ich auch“, sagt Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek unserer Zeitung. „Aber dermaßen zurückzukeilen, ist nicht zielführend.“ Bas solle zusammenführen, statt Klassenkampf-Parolen zu verbreiten.
Am Mittwochabend rudert Bas zurück, zumindest etwas. „Beide Seiten“ hätten sich missverstanden gefühlt, erklärt sie bei ntv. Sie jedenfalls habe es „nicht so gemeint oder gesagt“.
Der Bas-Ärger in der Union hat sich jedoch über 200 Tage aufgebaut. Es geht nicht nur um den Arbeitgeber-Eklat. Schon bald nach der Koalitionsfindung klagten Unions-Leute, Bas verschleppe die Bürgergeld-Reform. Dann wurde ihr vorgehalten, die Einschnitte nur halbherzig zu verteidigen. Auf dem Juso-Kongress warf sie der Union ja auch vor, diese wolle „die Leute sofort in die Arbeit zwingen, ob sie krank oder gesund sind“. Zwischendurch sagte die 57-Jährige über Merz‘ Warnung, der Sozialstaat sei bald nicht mehr finanzierbar, das sei „Bullshit“. Der Renten-Streit kommt nun oben drauf.
Ist das noch zu kitten? Bei allem Zorn ist der Union auch klar: Eine Parteichefin und Ministerin kann man aus der Regierung nicht entfernen, das wäre das Ende der Regierung Merz. In der CSU gibt es, trotz Holetscheks Härte, zudem ein Grundverständnis für Bas. Vor allem in der Sozialpolitik, Beispiel Mütterrente, hat die CSU zur SPD eine größere Nähe als die Merz-CDU. Söder selbst hat deshalb nicht in die Bas-Schelte eingestimmt. Oder, wie beide sagen würden: „Noch nicht.“