Euroclear in Brüssel verwaltet die eingefrorenen Gelder der russischen Zentralbank. © Matthys/EPA
München/Brüssel – Eigentlich klingt die Sache ganz einfach: Russische Raketen zerstören die ukrainische Infrastruktur – da scheint es nur legitim, dass russische Gelder, die in der EU gebunkert sind, für den Wiederaufbau verwendet werden sollen. Die Milliardenbeträge stammen hauptsächlich aus eingefrorenen Vermögenswerten der russischen Zentralbank, die im Zuge der Sanktionen nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine beschlagnahmt wurden.
Verwaltet werden diese 185 Milliarden Euro aus russischem Zentralbank-Vermögen vom belgischen Finanzinstitut Euroclear, weshalb der Schlüssel zu den Geldern in Belgien liegt.
Doch die belgische Regierung fürchtet rechtliche Konsequenzen und russische Vergeltung, weshalb sie die Freigabe der Russen-Milliarden bislang blockiert. Kanzler Friedrich Merz ist deshalb mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Freitagabend nach Brüssel gereist, um diese Bedenken zu zerstreuen.
Der Bundeskanzler sagte für das Treffen sogar eine geplante Reise nach Norwegen ab, was unterstreicht, wie dramatisch sich der Streit mit Belgien zugespitzt hatte. Über den Verlauf der Beratungen und mögliche Ergebnisse gab es zunächst keine Informationen. Später am Abend hieß es: Bis zum Europäischen Rat am 18. Dezember eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. Es dürfte aber kein sehr gemütliches Abendessen gewesen sein: Belgiens Ministerpräsident Bart De Wever hatte zuletzt die US-Position eingenommen und gewarnt, dass die Frage der Russen-Milliarden ein Friedensabkommen mit Putin gefährden könne. Zuvor hatte schon der US-Botschafter in Brüssel, Andrew Puzder, im „Handelsblatt“ Merz und von der Leyen indirekt gedroht: „Ich bin sicher, dass die Europäische Union, die Europäer, nichts tun wollen, was den Friedensprozess behindern würde. Deshalb hoffe ich, dass alle Maßnahmen, die sie ergreifen, ihn nicht beeinträchtigen.“ Merz konterte, die EU könne „die Entscheidung nicht anderen, außereuropäischen Staaten überlassen, was mit den Finanzmitteln eines Aggressors geschieht, die im Geltungsbereich unseres Rechtsstaates und in unserer eigenen Währung rechtmäßig eingefroren wurden“. Schon die zweite Spitze gegen die US-Regierung, die sich Merz in den letzten Tagen traute (siehe links).
Doch die Bedenken, die Belgien hegt, haben nicht nur mit der Störung der (nicht sonderlich erfolgreichen) Friedensbemühungen Donald Trumps zu tun, sondern auch mit der Sorge, am Ende mit möglichen Regressforderungen Russlands alleingelassen zu werden.
„Wir berücksichtigen alle Bedenken von Belgien“, sagte von der Leyen dazu. „Die Risiken müssen von uns allen geteilt werden.“ Deshalb erweiterte die Kommission den Reparations-Plan auf Drängen Belgiens auf die gesamte EU: Auch 25 Milliarden Euro sollen herangezogen werden, die Banken aus anderen EU-Mitgliedstaaten verwalten. So soll deutlich werden, dass alle EU-Regierungen die möglichen Risiken einer russischen Vergeltung tragen – und nicht Belgien allein.