Enge Vertraute: Kirill Dmitrijew (re.) gehört zu Putins innerstem Zirkel. Der Leiter des russischen Staatsfonds ist nun auch für den Ukraine-Krieg zuständig. © imago
München – Kirill Dmitrijew ist ein neues Gesicht auf der internationalen Bühne – und schon fährt er Staatschefs an, als wäre er selbst einer. „Lieber Merz, Sie sind nicht einmal im Spiel. Sie haben sich selbst disqualifiziert“, spottete Putins Chefunterhändler auf X. Durch „dickköpfige Dummheit“ etwa. Dmitrijews Post war eine direkte Antwort auf einen Satz des Kanzlers, kürzlich gefallen in einer Telefonschalte mit mehreren europäischen Staatschefs. „Sie spielen Spielchen – sowohl mit euch als auch mit uns“, soll Merz Wolodymyr Selenskyj gewarnt haben. Sie – damit sind die USA und Russland gemeint.
Vor allem jedoch: Kirill Dmitrijew und Steve Witkoff. Der russische und der amerikanische Sondergesandte. Beide gelten als Architekten von Donald Trumps 28-Punkte-Plan für einen Frieden in der Ukraine – jenes Papier, das Europa erschütterte, weil es sich wie eine Wunschliste Wladimir Putins las. Sie sollen ihn gemeinsam entworfen haben: zwei Männer ohne diplomatische Ausbildung, ohne politische Erfahrung, nicht einmal Mitglieder ihrer Regierungen. Nun könnten sie die Grenzen der Ukraine neu ziehen.
Witkoff und Dmitrijew kennen sich seit Jahren. Anfang der 2010er begegneten sie sich erstmals in Saudi-Arabien – es ging um Bauprojekte, um Geschäfte mit russischen Oligarchen. Im Februar dieses Jahres trafen sie sich wieder in Riad, um einen Gefangenenaustausch auszuhandeln. Das Treffen galt als erste Annäherung zwischen den USA und Russland seit Beginn des Krieges. Und als faktisches Ende von Moskaus Isolation im Westen. Für Dmitrijews Karriere wurde es zum Meilenstein: Nur wenige Tage später ernannte Putin ihn zu seinem Sondergesandten für „Investitions- und Wirtschaftskooperationen mit dem Ausland“.
Seither gilt der 50-Jährige als wichtigster Diplomat des Kreml, Putins Draht zum Westen. Der Leiter des Russischen Staatsfonds spricht fließend Englisch, hat in Stanford und Harvard studiert, arbeitete später für Goldman Sachs und McKinsey. Inzwischen wird er sogar als möglicher Nachfolger von Außenminister Sergej Lawrow gehandelt – der zuletzt immer seltener bei wichtigen Sitzungen gesehen wurde.
Hört man Dmitrijew zu, dann geht es ihm weniger um die Ukraine, sondern um Geschäfte. Der US-Seite hat er gemeinsame Projekte in der Arktis vorgeschlagen, „bei Seltenen Erden und in anderen Bereichen“. Elon Musk wolle er sogar „ein kleines Atomkraftwerk für eine Mission zum Mars“ anbieten. Außerdem will er den Tech-Milliardär mit dem Bau eines „Putin-Trump“-Tunnels beauftragen, der Sibirien und Alaska verbinden soll. Trump nannte den Vorschlag „interessant“ – ausgerechnet während Selenskyj im Weißen Haus zu Gast war.
Dmitrijew kennt nicht nur die USA besser als viele seiner Kreml-Kollegen, sondern auch die Ukraine. Er ist dort aufgewachsen. Berichten zufolge soll er als 15-Jähriger an prodemokratischen Protesten in Kiew teilgenommen haben. Geschadet hat ihm das nicht. Im Gegenteil: Heute genießt er Putins volles Vertrauen – auch weil er zum inneren Zirkel gehört. Dmitrijews Ehefrau, TV-Moderatorin Natalia Popowa, ist eine enge Freundin von Putins Tochter Katerina Tichonowa.
Auch zu Trumps Familie pflegt Dmitrijew beste Verbindungen, vor allem zu Jared Kushner, dem Schwiegersohn des Präsidenten. Erst vor wenigen Tagen reiste Kushner mit Witkoff nach Moskau, um Putin zu treffen. Während der Kremlchef die beiden Amerikaner stundenlang warten ließ, holte Dmitrijew sie persönlich vom Flughafen ab und führte sie zum Essen aus. „Eine großartige Stadt“, urteilte Witkoff später. In der Zwischenzeit besuchte Putin seelenruhig ein Wirtschaftsforum – und erklärte vor der Presse, Russland sei im Falle eines Angriffs für einen Krieg mit Europa „bereit“.