Der Wiederaufbau in der Stadt Aleppo dauert. © dpa
Damaskus – Vor einem Jahr wurde Syriens Langzeitmachthaber Baschar al-Assad gestürzt. Seitdem weht ein neuer Wind in dem vom Bürgerkrieg gebeuteltem Land. Zum Jahrestag wurden Plakate aufgehängt. Darauf steht: „Die dunkle Ära ist vorbei.“ Ist das so?
Die Regierung: Am 8. Dezember 2024 wurde die Assad-Regierung in einer Blitzoffensive von einer Rebellenallianz unter Führung der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) gestürzt. HTS-Kopf Ahmed al-Scharaa führt heute das Land mit 23 Millionen Einwohnern als Übergangspräsident an.
Beobachter sehen die Regierung auf einem guten Weg. Kritisiert wurden allerdings die ersten Parlamentswahlen: Der Anteil von Frauen und Minderheiten blieb gering. Trotzdem gelang es Al-Scharaa, das Land aus der jahrelangen internationalen Isolation zu holen. Er wurde nicht nur von Putin empfangen, der Assad jahrelang militärisch im Kampf gegen die jetzigen Machthaber geholfen hatte, sondern auch als erster syrischer Präsident ins Weiße Haus nach Washington eingeladen. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat ihn nach Berlin eingeladen. Ein Termin dafür steht noch nicht fest.
Sicherheit: Im ersten Jahr des „neuen Syrien“ kam es wiederholt zu Gewaltausbrüchen gegen Minderheiten. Hunderte wurden getötet. Auch der Regierung nahestehende Sicherheitskräfte waren darin involviert. Präsident al-Scharaa hat versprochen, Minderheiten im Land zu schützen. Kritiker werfen der Regierung jedoch vor, Transparenz und Justiz unter anderem mit symbolischen Verhaftungen und Scheinverfahren vorzutäuschen.
Alltag: Viele Menschen sind traumatisiert. „Man vergisst nicht, wie Hunger schmeckt und wie sich Angst anfühlt“, sagte der 25-jährige Mohammed, Anwohner in Harasta. Der Ort stand jahrelang unter heftigem Beschuss. Manche Menschen sehen sich gezwungen, zwischen den Trümmern ein Leben aufzubauen, weil sie woanders für sich keine Chance sehen. Auch in Ost-Aleppo wurden ganze Viertel dem Erdboden gleichgemacht. Manche Straßen sehen noch immer so aus, als habe der Krieg dort noch gestern getobt. Die Lage habe sich jedoch im vergangenen Jahr verbessert, sagte ein Anwohner in Aleppo. Zum ersten Mal seit Jahren habe es im November 24 Stunden lang ununterbrochen Strom gegeben.
Rückkehrer: Nach UN-Angaben gelten sieben Millionen Menschen im Land als Binnenvertriebene. Noch immer sind 16 Millionen Menschen in Syrien auf humanitäre Hilfe angewiesen. Zwar entscheiden sich immer mehr ins Ausland geflüchtete Syrer zurückzukehren. Die Zahl derer, die aus Ländern wie Deutschland kommen, bleibt jedoch weiter gering. A. RAJAB/W. HAMZAH