KOMMENTARE

Nicht am Rentenprinzip herumfummeln

von Redaktion

Akademiker sollen länger arbeiten

„Keine Denkverbote“ hat sich die Politik für die Rentendebatte verordnet. Das ist gut. Doch sollten die Politiker nach intensivem Denken den Bürgern nicht alten Wein in neuen Schläuchen verkaufen: Der spätere Rentenbeginn für Akademiker, den SPD-Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas „sympathisch“ findet und der CDU-Kanzler immerhin „erwägenswert“, ist genau das. Dahinter steckt SPD-seitig der Versuch, die abschlagsfreie Rente für langjährig Versicherte (landläufig Rente mit 63 genannt) zu retten, nur eben jetzt auf Kosten anderer, die stattdessen länger arbeiten sollen.

„Gerecht“ kann das nur finden, wer ein Studium für eine Zeit des Müßiggangs und des Amüsements hält. Die Realität ist oft eine andere: Für viele ist es eine Zeit der Entbehrungen und eine Investition in die Zukunft, für die sie jahrelang auf ein Einkommen verzichten – und auch auf den Erwerb von Rentenpunkten. Wer später anfängt zu arbeiten, erhält später auch weniger Rente, auch wenn er hofft, diesen Nachteil durch höhere Arbeitseinkommen und Rentenbeiträge ausgleichen zu können. Diese Menschen bestrafen zu wollen, indem man (nur) sie im Alter zu längerer Erwerbstätigkeit zwingt, ist ungerecht und widerspricht der Logik des Rentensystems. Dieses unterscheidet nicht zwischen Karrierewegen, sondern vergibt Rentenpunkte abhängig von der Zahl der Beitragsjahre und der Beitragshöhe. Daran sollte man nicht herumfummeln. Wer das Studieren unattraktiver macht, gibt im Übrigen genau die falsche Antwort auf die Herausforderungen durch die KI, die vor allem einfache Bürojobs wegrationalisiert. Im rohstoffarmen Deutschland, das sich durch politische Fehlentscheidungen selbst von Schlüsseltechnologien abgeschnitten hat, wird der Rohstoff Geist künftig eher noch wichtiger werden.

Auch in der aktuellen Rentendebatte gilt für die Parteien das Prinzip: Es muss sich was ändern – aber bitte nicht für meine Wähler. Die SPD will die Arbeiter schützen, die Union Beamte und Bezieher von Kapitaleinkünften. Ein Rentenkompromiss aber kann nur dann gesamtgesellschaftlich Frieden stiften, wenn er alle heranzieht und nicht nur einzelne Gruppen würgt. Beim Nachdenken darüber sollte man nicht beim kleinen parteipolitischen Karo stehen bleiben.GEORG.ANASTASIADIS@OVB.NET

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