KOMMENTARE

Plebiszit über die Zukunft der Ukraine

von Redaktion

Wahl trotz Krieg

Donald Trump hilft Wladimir Putin mit seinem „Friedensplan“ nicht nur dabei, seine territorialen Kriegsziele zu verwirklichen. Die wiederholten Behauptungen des US-Präsidenten, Wolodymyr Selenskyj sei ein „Diktator“, der sich Wahlen verweigere, gibt Schützenhilfe auch beim Putin-Hauptziel Nummer zwei: Die „Rest-Ukraine“ dauerhaft zu destabilisieren.

Mit einem geschrumpften Nachbarn, der durch die Zerstörungen des Krieges wirtschaftlich am Boden liegt, aber auch politisch zerrissen und gelähmt ist, könnte Putin leben. Kein Russe soll ja auf die Idee kommen, dass eine freiheitliche Demokratie wie die Ukraine ein besseres Leben bieten könnte als das autokratische Reich von Zar Wladimir.

Selenskyj, der gewiefte Taktiker, begegnet den Trump-Vorwürfen nun dadurch, dass er sich zu Wahlen bereit erklärt. Sein Hintergedanke dabei: Die USA müssten die Abhaltung dieser Wahlen absichern, es wäre also eine Schutzgarantie durch die Hintertür.

Denn es ist ja nicht nur die ukrainische Verfassung, die eine Wahl in Kriegszeiten eigentlich unmöglich macht – es sind konkrete Probleme. Was, wenn russische Raketen die Wahllokale bombardieren? Wie und wo wählen die 5,8 Millionen Ukrainer, die ins Ausland geflohen sind? Trump, der ja schon Briefwahlen für Teufelszeug hält, müsste eigentlich verstehen, dass die Alternative einer digitalen Wahl mitten im Krieg extrem anfällig für Manipulationen ist. Und sind für Trump auch die Millionen von Ukrainer wahlberechtigt, die in russisch besetzten Gebieten leben?

Der ukrainische Präsident ist aber nicht nur wegen Trumps Druck zu einer Wahl bereit. Ihm ist klar, dass sein Land tief gespalten ist. Da sind die Ukrainer, die einfach wieder ohne Angst vor Raketen leben wollen. Aber da sind auch die, die ein Abtreten der Krim und des Donbass als unverzeihlichen Verrat werten würden.

Selenskyj könnte die Abstimmung über seine Person deshalb auch zu einem Plebiszit darüber machen, welche Opfer an den Aggressor sein Volk zu geben bereit ist. Denn ohne diese Klärung droht eine Selbstzerfleischung der Ukrainer, die ganz im Sinne Putins ist.KLAUS.RIMPEL@OVB.NET

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