„Viel besser als ihr Ruf“

von Redaktion

„Emotional angekommen“? Zwischen Friedrich Merz und der Union sowie Bärbel Bas‘ SPD knirscht es regelmäßig. © dpa

München – Es stand kein Christbaum auf dem Podium, auch Glühwein wurde keiner gereicht, und doch schien sich unter den Spitzen der Koalition gestern eine vorweihnachtliche Milde ausgebreitet zu haben. Friedrich Merz hatte allerhand Beschlüsse vorzutragen, aber fast ebenso wichtig schien dem Kanzler der Hinweis, dass hier ein funktionierendes Ensemble agiere, kein zerstrittener Haufen. Man habe „im Laufe der letzten Wochen sehr gut zueinander gefunden“ und sei „auch im persönlichen Umgang miteinander emotional angekommen“. Zur Erinnerung: Sie regieren bereits seit acht Monaten zusammen.

Fast acht Stunden hat der Koalitionsausschuss am Mittwoch getagt. Das klingt nach zähem Ringen, mal wieder, doch allen Beteiligten war es ein Anliegen, den konstruktiven Charakter hervorzuheben. Vor lauter Konflikten ist die Produktivität dieser Regierung ja oft übersehen worden. Sie sei „viel besser als ihr Ruf“, sagt CSU-Chef Markus Söder. „Wir liefern eigentlich am laufenden Band.“ Im Mittelpunkt gestern: der Ausbau der Infrastruktur.

Ziel ist es, dass neue Autobahnen, Schienen, Wasserstraßen, Brücken und Lkw-Parkplätze zügiger entstehen können. Dazu will das Kabinett kommende Woche das „Infrastruktur-Zukunftsgesetz“ beschließen. Es sieht vor, dass alle Projekte, die Engpässe beseitigen sollen, als Vorhaben mit „überragendem öffentlichem Interesse“ deklariert werden. Dadurch wird das Klagerecht der Umweltverbände eingeschränkt. „Naturschutz bleibt wichtig, aber er kann jetzt nicht mehr durch endlose Verfahren dringend notwendige Maßnahmen blockieren“, sagt Merz.

Die Reaktionen sind erbost. Der Plan sei „klimapolitisch absurd“, empört sich Viviane Raddatz, Klimachefin des WWF Deutschland. Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser fürchtet den Großeinsatz der „Asphaltiermaschine“. Klimaziele im Verkehr würden nur „mit einer leistungsfähigen und verlässlichen Bahn erreicht“. Die soll wiederum davon profitieren, dass Strecken bis 60 Kilometer bei der Elektrifizierung von Umweltprüfungen ausgenommen werden. So solle verhindert werden, dass „jede Maus und jeder Lurch“ für Verzögerungen sorge, spöttelt Söder.

Bis Ende Februar will die Koalition das „sogenannte Heizungsgesetz“ (Merz) umfassend überarbeiten. Inhaltlich ist noch vieles unklar, von Technologieoffenheit und Flexibilität ist die Rede. Fix ist lediglich die Umbenennung in „Gebäudemodernisierungsgesetz“. Was die Unionsvertreter nicht sagen: Eigentlich gab es ein Heizungsgesetz nie, der Name war eine Schöpfung der C-Parteien für die Ampel-Novelle des Gebäudeenergiegesetzes. Dessen Original von 2020 war ein Werk der schwarz-roten Koalition.

Beschlossen hat die Runde die Verwendung der Dividenden aus einem zehn Milliarden Euro schweren Aktienpaket des Bundes zur Stärkung der privaten Altersvorsorge. Die Koalition will damit ab 2029 die Grundförderung bis zu einem Betrag von 1200 Euro von 30 auf 35 Cent je Euro zu erhöhen.

Einen Erfolg verbucht Bayern beim Thema Länderfinanzausgleich. Die Geberländer erhalten einen Ausgleich vom Bund, allein der Freistaat erwartet 850 Millionen über vier Jahre. Das sei „ein kleines, aber wichtiges Trostpflaster“, sagt Söder und bedankt sich bei Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) dafür, dass der bei der Umsetzung des Koalitionsvertrages „ohne jede Tricks“ gearbeitet habe. Die Klage gegen den Ausgleich bleibt trotzdem bestehen.

Ende nächster Woche wird sich der Bundesrat noch mit laufenden Verfahren befassen, dann ist erst mal Ruhe. Klingbeil wünscht den Bürgern, „dass sie über Weihnachten von dieser Regierung auch mal ein paar Tage nichts hören“.

Artikel 1 von 11