KOMMENTARE

Vom Sehnsuchtsort zum fremden Land

von Redaktion

Europa und die USA

Kein Tag vergeht inzwischen ohne neuerliche Ungeheuerlichkeiten, die man sich in Washington über die Europäische Union ausdenkt. Nun der angebliche Plan, Österreich, Italien, Ungarn und Polen aus der EU herauszulösen. Nichts verwundert mehr, und doch will sich kein Gewöhnungseffekt einstellen. Die Risse im westlichen Bündnis werden von den radikalen Trump-Jüngern bewusst forciert, die Nachkriegsordnung wankt. Die Idee, dass USA-Touristen bald alle Social-Media-Aktivitäten der letzten fünf Jahre offenlegen müssen, wirkt da vergleichsweise harmlos. Allerdings nur auf den ersten Blick!

Die geplante Neuregelung dürfte die kulturelle Entfremdung zwischen Europa und den Vereinigten Staaten beschleunigen. Jahrzehntelang galten die USA als Sehnsuchtsort junger Menschen in der sogenannten Alten Welt. Ob Jazz aus New Orleans, die Hippies in Woodstock, Hip-Hop in New York oder Filme aus Hollywood – spätestens seit der Landung in der Normandie prägten die USA mit diesen weichen Faktoren das Leben von Millionen Europäern. Wer es sich leisten konnte, flog über den großen Teich. In den Urlaub, zum Studieren, zum Arbeiten. Das sorgte für eine enge, persönliche Verbundenheit, selbst wenn man sich politisch schon immer an den USA mit ihren Widersprüchlichkeiten reiben konnte.

Unter Donald Trump wird dieses unsichtbare Band nun ganz bewusst zerschnitten. Der Kampf gegen ausländische Studenten an den von ihm verhassten Universitäten, die ständig neuen Hürden für europäische Unternehmen, die regelrechte Abschreckung von Touristen – all das wird Wirkung zeigen. Erst recht bei der jungen Generation, die schon länger, fasziniert von Manga-Comics, Anime-Filmen und K-Pop, zunehmend nach Japan und Südkorea blickt.

Schaden wird die kulturelle Entfremdung beiden Seiten. Den Europäern, weil sie Milliarden für Rüstung und Sicherheit ausgeben. Den USA, weil sie – entgegen Trumps Selbstwahrnehmung – ihre Rolle als unumstrittene Führungsmacht verlieren und wirtschaftlich Schaden erleiden. Touristisch dürfte man es schon bei den europäischen Besucherzahlen zur Fußball-WM 2026 merken. Und vielleicht auch, wenn die Absätze einzelner Marken einbrechen wie unlängst bei Tesla. Trump mag Europa schwachreden: Es ist noch immer ein sehr wichtiger, mächtiger Markt.

Artikel 1 von 11