Die CSU gibt manchmal Rätsel auf. Mit Inbrunst und nach internen Kontroversen hat der Parteitag einen europapolitischen Antrag beschlossen, dessen Bedeutung nicht sofort einleuchtet. Europa müsse, so ist nun offizielle Beschlusslage der gesamten Partei, dringend die Pflicht abschaffen, Deckel an der Plastikflasche zu befestigen. Begründung: „Es nervt.“ Leider keine Zeit mehr war für eine Debatte eines anderen Antrags, eine europäische Armee, eine EU-Verteidigung und eine gemeinsame Rüstung aufzustellen. War wohl nicht dringlich genug.
Schon klar: Einer Volkspartei darf kein Thema zu klein sein. Aber eben auch keines zu groß. Beispiele wie dieses zeigen, dass da in den letzten Jahren die Prioritäten verrutscht sind. Es wäre billig, das an Markus Söder allein festzumachen. Er hat das ja erkannt und hat Recht, wenn er nun häufiger von „ernsten Reden in ernsten Zeiten“ spricht. Die minutenlangen Ovationen nach der eben sehr ernsten, trockenen, weltpolitischen Rede von Kanzler Merz vor der CSU zeigen, dass es schon eine Sehnsucht danach gibt. Doch gelebt wird das bisher zu wenig.
Die Partei steht sich da phasenweise selbst im Weg. Es braucht nicht weniger Netz-Aktivität, Stichwort Bratwurst, nicht weniger Unterhaltungstalent von Söder. Aber parallel dazu mehr an Inhalten, Kurs, Substanz, Klarheit. Auf wenigen außenpolitischen Feldern reicht das bisher; lobenswerte Ausnahme: der klare Kurs gegen Antisemitismus. Recht stark zeigt sich das Defizit in der Europapolitik. Genau da beharken sich mit Söder und seinem Parteivize Manfred Weber, dem Chef der Bürgerlichen in Europa, zwei ihrer besten Führungsleute. Erreicht der eine was, redet’s der andere klein, siehe Verbrenner-Streit.
Die außenpolitische Bedrohung wird schwieriger, der transatlantische Schutzmechanismus brüchiger, die durch US-Zölle und China verschärfte Wirtschaftskrise wird tiefer und trifft das wohlhabende Bayern besonders. Die CSU muss ihre Antworten darauf weiterentwickeln. Ohne Waigel- und Stoiber-Zeiten zu verklären: Historisch ist der Partei das in Krisenlagen stets gelungen. Heute braucht es dafür viel mehr als Flaschendeckel-Debatten.CHRISTIAN.DEUTSCHLAENDER@OVB.NET