KOMMENTAR

Auch die Wirtschaft erlebt eine Zeitenwende

von Redaktion

Debatte um Mercosur-Abkommen

Es ist nicht verboten, aus den Fehlern der Vergangenheit auch mal zu lernen. Man erinnere sich an die aufgeregte europäische Debatte über das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA, das letztlich an Schlagwörtern wie „Chlorhühnchen“ scheiterte. Nur weil Mitte der 2010er-Jahre versäumt wurde, Zölle und Handelshemmnisse abzubauen, Märkte zu öffnen und Standards zu harmonisieren, konnte Donald Trump 2025 so ungehindert seinen Zollkrieg vom Zaun brechen. Plötzlich war das Wehklagen in den europäischen Hauptstädten groß: Ach, hätten wir damals doch…!

Natürlich waren einige der Bedenken damals berechtigt. Genauso wie es heute gut begründete Einwände (vor allem von Landwirten) gegen ungeregelten Freihandel mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) gibt. Doch seit mehr als 20 Jahren wird darüber verhandelt, weshalb der italienische Einwand, eine Unterzeichnung wäre „verfrüht“, Züge von Realsatire trägt. Nein. Hier geht es vor allem um die Frage, wie durchsetzungsstark die nach außen gerne vollmundig auftretenden Regierungen in Paris, Rom und Warschau nach innen wirklich sind. Zudem hat die EU genügend Möglichkeiten, ihren Agrarsektor zu schützen. Und es gab auch schon diverse Zugeständnisse der südamerikanischen Seite.

Die Landwirtschaft ist nur ein kleiner Teil der EU-Wirtschaft. Es stellen sich viel größere Fragen: Wo sind künftig unsere Partner und Freunde? Wo finden wir Märkte für unsere Produkte? Kriegstreiber Russland hat sich disqualifiziert. Die immer nationalistischer auftretenden Trump-USA verlieren das Interesse an einer Beziehung auf Augenhöhe. Und China hat der deutschen Wirtschaft schon lange so unfaire Bedingungen aufgezwungen, dass man sich wunderte, warum Unternehmen das mit sich machen ließen. In allen drei Regionen wird der Handel schwieriger.

Auch die Wirtschaft erlebt eine Zeitenwende. Der Widerstand gegen Mercosur entstammt einer Zeit, in der die Globalisierung keine Grenzen zu kennen schien. Vorbei! Inzwischen muss man heilfroh sein, wenn überhaupt noch irgendwo Hürden abgebaut werden.MIKE.SCHIER@OVB.NET

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