Die Politik kennt kaum Mutterschutz: Verena Hubertz (SPD) eilt hochschwanger zu einer Abstimmung. © Michael Kappeler/dpa
München/Berlin – Politik ist ein Geschäft der Präsenz: Sitzungen, Abstimmungen, Termine im Minutentakt. Auch Auftritte bei Talkshows stehen regelmäßig an, um – idealerweise – das eigene Profil zu schärfen. Umso ungewöhnlicher ist es daher, wenn sich eine Politikerin drei Monate lang freiwillig aus dem Betrieb zurückzieht. Doch Verena Hubertz, seit Mai 2025 Bundesbauministerin, hat dafür einen gewichtigen Grund: Im Januar erwartet die Sozialdemokratin ihr erstes Kind.
Als gewählte Volksvertreterin ist Hubertz‘ privates Glück zugleich öffentliches Ereignis. Bereits im August hatte die SPD-Politikerin ihre Schwangerschaft mit einem Foto von zwei nicht einmal handtellergroßen Babyschühchen bekannt gegeben. Ende November hielt sie ihre vorerst letzte Rede im Bundestag – mit sichtbarem Babybauch – und trat ab dem 1. Dezember in den Mutterschutz. Voraussichtlich Anfang März möchte sie an ihren Schreibtisch im Bauministerium zurückkehren.
Derweil ruhen die Geschäfte selbstverständlich nicht. Debatten, Abstimmungen, Ausschussarbeit – all das läuft in ihrer Abwesenheit weiter. Im Bauministerium hat Staatssekretär Olaf Joachim (SPD) vorübergehend die Zügel in der Hand. Im Bundestag wiederum springen die Parlamentarischen Staatssekretäre Sören Bartol und Sabine Poschmann (SPD) ein. Ihre Stellvertreter würden sich regelmäßig mit ihr rückkoppeln, verspricht Hubertz. Und ihr Haus teilt mit, die Ministerin „wird weiterhin wesentliche politische Entscheidungen treffen“.
Trotz der klar geregelten Vertretungsstrukturen bleibt die Vereinbarkeit von Amt und Familie eine Herausforderung. Besonders in einem Arbeitsumfeld, das kaum Raum für planbare Abläufe lässt. Der Bundestag ist kein klassischer Arbeitsplatz. Sitzungswochen ziehen sich bis spät in die Nacht, Ausschüsse tagen frühmorgens, Fraktionsklausuren liegen fernab der Heimat – für Eltern neugeborener Kinder eine besondere Herausforderung.
Anspruch auf Elternzeit hat Hubertz als Abgeordnete und Ministerin nicht. Ab März will daher ihr Partner Elternzeit nehmen, um ihr die Rückkehr ins Amt zu erleichtern. Gleichwohl plant die 38-Jährige, ihre neue Rolle als Mutter aktiv mit ihrer Arbeit zu verbinden. „Das Baby wird dabei sein, ob im Kinderzimmer des Bundestags oder auch im Ministerium.“
Hubertz ist erst die dritte Ministerin auf Bundesebene, die im Amt ein Kind bekommt. Die erste war Kristina Schröder (CDU), die 2011 als Familienministerin ihr erstes Kind begrüßte. Schröder, heute Unternehmensberaterin und Publizistin, hält es für richtig, dass Abgeordnete keine Elternzeit nehmen dürfen: „Alles andere wäre demokratietheoretisch auch schwierig“, sagte sie dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Ihre Tochter Lotte Marie brachte sie nach acht Wochen Mutterschutz direkt am ersten Tag mit ins Ministerium.
Die richtige Balance zu finden, sei anfangs schwierig gewesen, so Schröder. Sie habe wenig geschlafen und zahlreiche Abendtermine absagen müssen. „Natürlich ist das für einen Politiker von Nachteil, wenn er weniger präsent ist und seine Politik weniger erklären kann“, sagte sie. Für Hubertz findet die ehemalige CDU-Politikerin trotzdem ermutigende Worte: „Vieles fügt sich am Ende doch.“
Manuela Schwesig (SPD) war die zweite Bundesministerin, die im Amt ein Baby bekam. 2016 brachte sie als Familienministerin ihr zweites Kind, Tochter Julia, zur Welt. „Ich sage nicht, dass das alles easy-going wäre oder superleicht. Ich kenne auch das Gefühl der Zerrissenheit“, resümierte sie ein Jahr danach im Interview mit der „FAZ“. Zugleich betonte sie ihre Dankbarkeit: Sie habe zwei gesunde Kinder und lebe in einem sicheren Land.
Dass die zeitweilige Abwesenheit von Ministerinnen aufgefangen werden kann, zeigt die Funktionsfähigkeit parlamentarischer Abläufe – ebenso wie den hohen Koordinationsaufwand, den persönliche Lebensphasen in politischen Spitzenämtern erfordern. Eine Schonfrist dürfte Hubertz nach ihrer Rückkehr nicht erwarten. Der Wohnungsmarkt steckt in der Krise. Laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) fehlen pro Jahr etwa 100 000 neue Wohnungen in Deutschland. Große Aufgaben für die Bauministerin – beruflich wie privat.