Bad Endorf – Überall in den katholischen und evangelischen Kirchen landauf landab wurden in diesem Jahr ökumenische Gottesdienste abgehalten, zu Diskussionen, Feierlichkeiten und Tagungen eingeladen. Martin Luther, diese mächtige Gestalt der Kirche, dieser große Reformator, regte zur Auseinandersetzung an – noch 500 Jahre nach seinem Thesenanschlag an der Schlosskirche zu Wittenberg. „Luther zielte nicht auf die Spaltung der Kirche, sondern wollte mit seinen Reformbestrebungen auf Missstände aufmerksam machen. Heute blicken wir mit anderen Augen auf die Ereignisse des 16. Jahrhunderts. Lange Zeit wurde auf katholischer Seite ausschließlich abwertend über Luther geschrieben“, so Reinhard Kardinal Marx.
Eindeutiger geht’s kaum. Martin Luther ist also nicht mehr der große Spalter der Kirche, der Schuldige am Dreißigjährigen Krieg, stellt der Kardinal klar, der auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist. Soweit die offizielle Stellungnahme von katholischer Seite zu dem großen „evangelischen Christen“.
Diesem Jubiläum wollte sich auch die Endorfer Theatergesellschaft nicht entziehen. Obwohl sonst nur Heiligenstücke mit eindeutig katholischen Protagonisten aufgeführt werden, war bereits 2012 klar: Zum 500. Gedenkjahr 2017 wird „Martin Luther“ gezeigt. Auf einem Fest hätten das die Theaterdamen so beschlossen. Und auch die anderen seien gleich begeistert gewesen. „Ist doch ein toller Stoff“, hatten die Endorfer Theaterer damals gedacht.
Flugs schrieb der evangelische Pastor Gerhard Prell das Stück „Martin Luther“. Kein Heiligenstück, sondern eine Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit Luthers und mit seiner Kritik am Zustand der katholischen Kirche zur damaligen Zeit. Dann wurde geprobt – übrigens waren auch evangelische Schauspieler auf der Bühne – ein Ausflug zur Wartburg wurde gemacht und sich intensiv auf das Abenteuer Luther eingelassen.
Markus Mädler, der den Reformator darstellte, war fasziniert von dessen Persönlichkeit. „Er blieb im Herzen katholisch. Luther wollte erneuern, nicht spalten und er war grundehrlich. In meinen Augen hat sich die Kirche von ihm abgewandt, nicht andersrum“, sagt er im Gespräch mit der OVB-Heimatzeitung.
„Luther soll in der Hölle schmoren“
Umso erstaunter war deshalb auch Pressesprecher Markus Hermannsdorfer von den teils heftigen Reaktionen auf dieses Stück. „Luther soll in der Hölle schmoren.“ „Nestbeschmutzer.“ „Er wurde vom Teufel geholt“: So hieß es in zornigen Briefen aus der Bevölkerung, die bei der Theatergesellschaft eingingen. „Wir bemerkten tatsächlich eine Anti-Luther-Stimmung“, bestätigen Hermannsdorfer und Mädler. Obwohl das völlig widersinnig sei, meint der Luther-Darsteller. „Wir wollten mit diesem Stück nur den Finger in die Wunde legen und Luthers zentrale These von der Erlösung von ewiger Verdammnis durch die Liebe des Vaters darstellen.“
Es sei ja nicht darum gegangen, die Kirche schlecht zu machen. Schließlich sei auch „Franziskus“, die zentrale Figur des Heiligenstücks aus 2016, ein Rebell gewesen, der sich gegen die Kirche auflehnte. „Aber Luther hat halt den Mund weit aufgemacht und hat sich nicht verbiegen lassen. In meinen Augen war er ausgesprochen mutig. Denn es sollte ihm ja an den Kragen gehen“, sagt sein Darsteller.
Ob er selbst immer so mutig ist, wagt Mädler zu bezweifeln. „Aber die Beschäftigung mit dem historischen Luther hat mir persönlich viel gebracht. Wir sollten alle mutiger sein und den Mund aufmachen – beispielsweise bei der AfD.“ Aufstehen, dagegen halten, argumentieren: „Das hat Luther gemacht – und sich nicht hinter einer schweigenden Mehrheit versteckt.“
„Aber es war nicht das richtige Stück zur richtigen Zeit“, glaubt Hermannsdorfer. Zum Glück könne der Verein den riesigen Zuschauerschwund diesmal finanziell verkraften. Doch schade sei es allemal. „Ich hätte es ja verstanden, wenn die Zuschauer nach dem Besuch das Stück verrissen hätten. Aber sie haben es nicht einmal angeschaut.“ Ganze Busreisen seien storniert worden, Stammpublikum aus der kirchlichen Ecke sei ausgeblieben. „Fast wie bei Wahlen: Man protestiert, indem man einfach nicht hingeht“, interpretiert der Pressesprecher das Desinteresse.
2018 kommt
„Der verlorene Sohn“
Der Anspruch der Theatergesellschaft sei jedes mal, ein gutes Stück auf die Bretter zu bringen. Das erhoffen sich Mädler und Hermannsdorfer auch für 2018 – und dann hoffentlich wieder mit mehr Zuspruch durch die Zuschauer. Auf dem Programm am Pfingstmontag 2018 steht „Der verlorene Sohn“ – nach dem berühmten Gleichnis aus dem Neuen Testament. Im Zentrum steht die Barmherzigkeit des Vaters, der seinen Sohn – ein Unglücksrabe durch und durch – trotz vieler Enttäuschungen einfach wieder in die Arme schließt.
„Aus“ für Geschäftsmodell
Warum? „Das wollen wir zeigen. Es geht nämlich nicht um Beichte, Buße und Sühne von miesen Taten, sondern um Barmherzigkeit, um Vergebung ohne Vorbehalt.“ Insofern fast eine Fortsetzung zum Stück Martin Luther: „Denn auch er wollte die bedingungslose Liebe des Vaters zu uns Sündern aufzeigen. Für ihn gab es keine ewige Verdammnis, kein Fegefeuer für die Sünder. Auch sie durften auf das Paradies hoffen – ohne Ablasskauf.“ Doch damit war das Geschäftsmodell der Kirche am Ende.