Kiefersfelden/Rosenheim –
Vor dem Rosenheimer Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richter Stefan Tillmann stand jetzt ein 50-jähriger Syrer aus Aleppo, weil man ihn in Kiefersfelden dabei erwischt hatte, als er zwei andere Syrer mit seinem Auto nach Deutschland einschleusen wollte.
Als ihn dort die Kontrollbeamten zur näheren Untersuchung hinauswinkten, tat er zunächst so, als wolle er dem nachkommen. Nach nur zwei Metern Fahrt zog er allerdings zurück auf die Fahrspur und versuchte mit quietschenden Reifen zu entkommen. Doch der Fluchtversuch wurde schnell unterbunden – nach wenigen Kilometern hatten Einsatzfahrzeuge den Syrer eingeholt und zum Anhalten gezwungen.
Unter Tränen schilderte der Mann dann den Beamten, dass es sich bei den im Fahrzeug befindlichen Personen nun um Verwandte seiner Frau gehandelt hätte, denen er, ohne Profit zu wollen, nach Deutschland verhelfen wollte. Angaben, die zu zahlreichen Zweifeln führte, als die Vorgeschichte des Mannes zur Sprache kam.
Verhaftung
in Schwerin
So hatte man ihm längst klar gemacht, dass sein syrischer Führerschein in Deutschland keine Gültigkeit mehr habe. Was ihn jedoch scheinbar nicht weiter gestört habe. So wurde er mittlerweile bereits fünfmal wegen Fahrens ohne Führerschein angeklagt. Elfmal wurde er wegen überhöhter Geschwindigkeit innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften registriert. Weil er seine Frau und seine Kinder bedroht und verprügelt hatte, wurde er zudem wegen Körperverletzung verurteilt. Bei der damaligen Verhaftung in Schwerin hatte er sich zudem den Beamten widersetzt.
Auch als Schleuser wurde der 50-Jährige bereits auffällig: So versuchte er neun Syrer – vier in einem Pkw, fünf in einem angekoppelten Anhänger – durch Tschechien zu schleusen. Dort wurde er aufgegriffen und deswegen zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt.
Einen Höhepunkt seiner Vergehen stellte auch sein Verhalten vor der Ermittlungsrichterin dar, vor die er wegen der notwendigen Haftprüfung nach seiner Festnahme gebracht wurde. Zunächst völlig unauffällig, rastete er plötzlich aus: Er sprang auf und hämmerte mit dem Kopf gegen die Plexiglasscheibe, die vor dem Beschuldigten angebracht war. Anschließend versuchte er aus dem Fenster zu springen und schlug mit dem Kopf gegen die Scheibe. Nachdem Beamte ihn unter Kontrolle gebracht und gefesselt hatten, konnte das Verfahren beendet und der Syrer zurück zum Gefangenentransportwagen gebracht werden. Dort rastete der Angeklagte jedoch erneut aus und schlug seinen Kopf immer wieder gegen die Innenausstattung des Fahrzeugs, wobei er das Gefährt erheblich beschädigte.
Vor dem Rosenheimer Schöffengericht zeigte sich der Syrer jetzt in allen Anklagepunkten geständig, erklärte aber, dass er an die Vorfälle in und außerhalb des Amtsgerichtes im Zusammenhang mir der Vorführung bei der Ermittlungsrichterin überhaupt keine Erinnerung mehr habe. Er machte geltend, dass er wegen Epilepsie und den Folgen eines Verkehrsunfalles im Jahr 1990 gezwungen sei, Medikamente zu sich zu nehmen. Nach seiner Festnahme in Kiefersfelden habe man ihm diese verweigert. Nur so habe es zu solchen Reaktionen von ihm kommen können. Reaktionen, die er bedauere und für die er sich bei den Zeugen entschuldigte.
Der Gutachter, Psychiater Rainer Gerth, billigte dem Angeklagten zu, dass er bei dem Vorfall im und am Rosenheimer Amtsgericht möglicherweise vermindert schuldfähig gewesen sei. Bei allen anderen Vorwürfen könne dies jedoch nicht gelten. Sicherlich habe der Angeklagte traumatisierende Erlebnisse hinter sich. Dies könne aber in keinem Fall bei derlei gezieltem Verhalten eine mögliche Schuldunfähigkeit begründen.
Die Staatsanwältin machte in ihrem Schlussvortrag klar, dass der Angeklagte sie durch „seine Theatralik“ keineswegs beeinflussen könne. Zu sehr habe dieser bewiesen, dass ihm deutsche Rechtsnormen, Regeln und Verhaltensweisen völlig egal seien. Mehr noch, er sei auch ein Wiederholungstäter mit einer enormen Rückfallgeschwindigkeit, der wohl nur durch eine Haftstrafe wirklich zu beeindrucken sei. Sie beantragte eine Gesamtstrafe von zwei Jahren und neun Monaten.
Verteidiger will Bewährungsstrafe
Der Verteidiger, Rechtsanwalt Alexander Kohut, wollte einen gezielten Angriff auf die Beamten beim Ermittlungsrichter und danach nicht gelten lassen. Es habe sich wohl lediglich um einen puren Widerstand gehandelt. Auch führte er an, dass sein Mandant durch die erstmals erlittene Haft hinreichend beeindruckt sei und hielt eine Strafe von zwei Jahren Gefängnis für Tat und Schuld angemessen. Diese Strafe könne man dann zur Bewährung aussetzen.
Das Gericht unter Vorsitz von Stefan Tillmann verurteilte den 50-Jährigen letztlich zu zweieinhalb Jahren Haft. Die Verfahren wegen Fahrens ohne Führerschein, die noch ausstehen, könnten aber noch für einen längeren Haftzeitraum sorgen.