Rohrdorf – „Du wirst mein Nachfolger.“ Mit diesen Worten hatte ihn der damalige Kanonier Hans Rackinger seinerzeit bei einer gemütlichen Runde im Wirtshaus rekrutiert, erinnert sich Böhm schmunzelnd. 21 Jahre jung ist er damals gewesen und hatte gerade seinen Wehrdienst bei den Pionieren abgeleistet.
Zunächst aber musste er vor zwei Polizisten das Laden der Kanone vorführen, Zündkapsel und Schwarzpulver in die Kartusche füllen, den Hahn spannen und für den erwünschten Knalleffekt sorgen. Kaum zehn Minuten dauerte die Prüfung, dann war Reinhart Böhm Gemeindekanonier – und sollte es ein halbes Jahrhundert lang bleiben.
Anfangs sei Rackinger noch mitgegangen, doch schon bald ließ es Böhm bei Beerdigungen und Vereinsjahrtagen alleine krachen. Und bis die Böllerschützen das Schießen zu Fronleichnam übernommen haben, war Böhm auch bei den Prozessionen von Altar zu Altar mit der gut eineinhalb Zentner schweren fahrbaren Salutkanone von der Partie.
In seiner Anfangszeit wurden noch viele Veteranen des Ersten Weltkriegs zu Grabe getragen; mehrere Male im Jahr gab er beim Lied „Alter Kamerad“ die drei Schuss Ehrensalut ab. Da musste er bisweilen kämpfen, dass er mit den 20 Kilo Schwarzpulver auskam, die das Landratsamt immer für einen Zeitraum von fünf Jahren bewilligte. Und regelmäßig hat Böhm, der 44 Jahre lang im Zementwerk gearbeitet hat, für dieses Ehrenamt einen Tag Urlaub investiert; denn in früheren Zeiten war es noch Usus, dass sich die Trauergemeinde nach der Beisetzung am Morgen zum ausgiebigen Leichenschmaus beim Wirt versammelte.
Mit den Jahren hat die Zahl der Beerdigungen dann stetig abgenommen. Heute sind nur noch wenige Teilnehmer des Zweiten Weltkriegs am Leben; gerademal fünf seien noch unter den Mitgliedern des Veteranenvereins, wobei aber auch bei der Beerdigung anderer Vereinsmitglieder geschossen wird.
Volles Programm hatte Böhm zuletzt beim Gaufest des Trachtenvereins „Achentaler“ vor zwei Jahren. Nach dem Totengedenken am Samstag und dem Weckruf am Sonntag früh um 5 Uhr gab er am Nachmittag außerdem den Startschuss für den Festzug.
Dass die Kanone wider Erwarten stumm geblieben wäre, ist ihm in den fünf Jahrzehnten seiner Amtszeit, während der er lediglich zu vier Terminen nicht selbst antreten konnte, nicht ein einziges Mal passiert. Für die Beerdigungen hatte er aber vorsichtshalber immer einen Schuss auf Reserve vorbereitet.
Gut 100 Schuss, schätzt Böhm, hat er in der Anfangszeit Jahr für Jahr abgegeben; zuletzt waren es etwa die Hälfte. Und stets ließ er es ohne Gehörschutz krachen, anders als sein Nachfolger Georg Knoll junior, der bereits vor einiger Zeit die eintägige Kanonierprüfung abgelegt hat. Den Jahrtag der Trachtler und der Veteranen sowie mehrere Beerdigungen hat der 24-Jährige bereits gemeistert.