Amerang – Ein Dorf an der Staatsstraße 2360: Dort bewohnt die 76-jährige verwitwete Schwägerin des Eigentümers des benachbarten Anwesens ein kleines Einfamilienhaus. Das hat ihre Tochter vom verstorbenen Ehemann geerbt, der sie adoptiert hatte. Nach ihren Angaben schwierige Verhältnisse, da ihr Mann sie 1993 nur kirchlich geehelicht hatte und später durch einen Landmaschinenunfall zu Tode kam.
Die Familie des Bruders hatte damals die Witwe des Mordes beschuldigt. Von diesem Vorwurf wurde sie lückenlos freigesprochen. Doch der Streitfall trug letztlich dazu bei, dass das familiäre und nachbarschaftliche Verhältnis mehr und mehr darunter litt.
Zeugin bekommt
Streit mit
Gegenseitige Grundstücksbetretungsverbote und mehrfache gegenseitige Beleidigungen hatten in der Vergangenheit schon Geldstrafen nach sich gezogen. Die Frau (76) führte an, dass die „feindliche“ Familie, „die stärkeren Bataillone“ habe und bei Bedarf immer mit Zeugen aufwarten könne, während sie alleine deren Angriffen ausgeliefert sei.
Bei dem aktuellen Fall vor Gericht hatte sie, als sie mit dem Hund Gassi ging, wohl ein ihr „verbotenes“ Grundstück betreten. Als der Schwiegersohn des Schwagers mit dem Auto vorbeifuhr, forderte er sie auf, das Grundstück zu verlassen. Daraus entwickelte sich ein Disput mit gegenseitigen Beschimpfungen. Die Schwester des Schwiegersohnes, die zufällig zu Besuch war, hatte den Wortwechsel mitbekommen und bestätigte diesen vor Gericht. Alles hatte sie nicht verstehen können, gab sie an, auch ein Bespucken, von welcher Seite auch immer, habe sie nicht gesehen. Wohl aber eine heftige Auseinandersetzung wahrgenommen.
„Im Normalfall“, so Richterin Simone Luger, „würde sich das Gericht mit derlei Familienstreitigkeiten überhaupt nicht abgeben.“ Weil aber die Angeklagte diesbezüglich schon mehrmals aufgefallen und verurteilt worden sei, müsse man nun wohl aktiv werden.
Im Laufe der Verhandlung gestand die zierliche Frau, dass sie möglicherweise im Eifer der Auseinandersetzung durchaus Begriffe wie „Drecksau“ gesagt habe. Aber immer erst, nachdem sie unflätig beleidigt worden sei: „Ich kann mir doch nicht alles gefallen lassen!“
Wegen ähnlicher Anklage verurteilt
Der attackierte 41-jährige Elektromeister gab als Zeuge zu Protokoll, dass es für ihn gang und gäbe sei, von der Angeklagten unflätig attackiert zu werden. „Es ist höchstens eine Woche oder zwei Ruhe, dann geht es wieder los. Selbst die Kinder haben Angst vor dieser bösartigen Nachbarin.“
Die Staatsanwältin führte in ihrem Schlussvortrag aus, es sei nicht auszuschließen, dass die Angeklagte provoziert worden sei. Dennoch dürfe das nicht dazu führen, dass sie andere derart gröblich beleidige. Erschwerend komme hinzu, dass sie nur eineinhalb Monate vorher in einer ähnlichen Sache verurteilt worden ist. Weil sie mit Geldstrafen wohl nicht zu beeindrucken sei, beantragte die Staatsanwältin eine Haftstrafe von dreieinhalb Monaten, die aber zur Bewährung ausgesetzt werden könnte.
Der Verteidiger, Rechtsanwalt Jobst Jacobi, erklärte, es stehe hier Aussage gegen Aussage. Zumal die Zeugin über die Inhalte der Auseinandersetzung kaum etwas habe berichten können. In Wirklichkeit würde die Angeklagte gegebenenfalls lediglich aufgrund ihrer Vorahndungen verurteilt, „und das kann ja wohl nicht sein“. Seine Mandantin stehe in diesen Auseinandersetzungen immer alleine. Er beantragte deshalb einen Freispruch.
Richterin Simone Luger hielt der Angeklagten in ihrer Urteilsbegründung vor, dass sie selbst diese Beleidigungen hier eingestanden habe. „Auch wenn sie dazu provoziert worden sind, rechtfertigt das nicht, selber Beleidigungen auszusprechen. Es muss mit diesem Streit einmal Schluss sein und dazu machen Sie am besten nun den Anfang. Lernen Sie, hin und wieder etwas zu überhören.“ Die Richterin sprach schließlich eine Haftstrafe von zwei Monaten aus, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.