Familie Rossmy aus Bad Endorf hat einen Mini in Eigenregie zum E-Fahrzeug umgebaut

Freie Fahrt fürs eigene Genie

von Redaktion

Für was Automobilkonzerne jahrzehntelange Entwicklungsarbeit eines riesigen Expertenteams benötigen, hat Reinhard Roßmy gemeinsam mit seinen Söhnen in wenigen Monaten geschafft – einen herkömmlichen Pkw in ein E-Auto zu verwandeln. Seit Herbst 2015 ist der E-Mini für den Verkehr zugelassen.

Bad Endorf – Im Jahr 2019 will BMW eine elektrische Version des Mini Cooper auf den Markt bringen. Zu diesem Zeitpunkt wird der E-Mini von Familie Roßmy bereits seit drei Jahren auf der Straße sein und wohl rund 36000 Kilometer hinter sich haben. Dabei handelt es sich nicht etwa um einen geheimen Prototyp, sondern schlicht um einen „Do it yourself“-Umbau in der heimischen Garage. Die Geschichte von einem Mann der sich mit seinen beiden Söhnen den Wunsch nach einem elektrischen Mini kurzerhand selbst erfüllte.

Das Erfolgsrezept von Reinhard Roßmy und seinen beiden Söhnen Paulinus und Vinzenz steckt wahrscheinlich schon in der Art wie sie ihre Idee selbst beschreiben: Andere haben statt einem banalen Wunsch einen großen Traum, den sie in der eigenen Nacherzählung mit Entbehrungen, durchgearbeiteten Nächten, Beinahemomenten des Scheiterns und jeder Menge Durchhaltevermögen gegenüber allen Widerständen – kurz: mit viel Tamtam – realisieren. Oder eben nicht.

Bei den Roßmys hingegen herrschte im Herbst 2015 wie auch heute entspannter Pragmatismus. Der ältere Sohn war 18 geworden, die Notwendigkeit eines zweiten Fahrzeugs in der Familie damit größer. Ein Bekannter, Stefan Weber, hatte sich bereits selbst einen Renault Twingo elektrifiziert. Warum also dem Beispiel nicht folgen – allerdings mit dem Wunschauto von Christine Roßmy, einem Mini-Cooper. Der wichtigste Punkt, die prinzipielle Machbarkeit, war ja erwiesen. Alles andere würde Schritt für Schritt folgen.

Schritt für Schritt hieß zunächst einmal den gebrauchten Mini zu zerlegen – Motor raus, Auspuffanlage raus, Tank raus oder, wie es Reinhard Roßmy formuliert, „alles raus, was ölig ist und stinkt“. Danach ebenso Schritt für Schritt alles Neue wieder rein: Akkus, Batterien, elektrische Steuerung. Für einen Außenstehenden wäre jeder einzelne Schritt ein potenzielles Desaster, für die Roßmys eine Abfolge von Einzelaufgaben, die sich – eine nach der anderen – schon lösen lassen würden.

Wenig einschlägiges Vorwissen? Muss man halt vor jedem Schritt ausgiebig recherchieren. Weder eine üppige Werkstattausstattung noch Grube noch Hebebühne? Braucht es halt mehr Einfälle und intelligente Hilfskonstruktionen. Manche speziellen Einzelteile nirgendwo zu kaufen? Muss man halt Geduld aufbringen, bis man jemand findet, der sie zu reellen Preisen fertigt.

Natürlich gab es hinter dem so selbstverständlich erzählten Ablauf auch Augenblicke des Zweifelns. Allein der Gedanke an den TÜV, der das Projekt unmittelbar vor dem Abschluss wie eine Seifenblase hätte zerplatzen lassen können, schwebte wie ein Damoklesschwert über den Bastlern. Für Reinhard Roßmy und seine Söhne aber auch diese Zweifel keine wirklichen Schicksalsmomente: Muss man halt frühzeitig mit den Leuten reden und sich über mögliche Hürden informieren.

Kostenlose Tipps

vom Zulieferer

Zwar ist Roßmy von Beruf Nachrichtentechniker und hat daher einen Verständnisvorteil, wenn es um Elektrik geht. Von der ganzen Mechanik eines Autos hatte aber auch er nicht wirklich eine Ahnung. Was es aber gab, war die Tatsache, dass die meisten, die sich derzeit mit dem Thema E-Umbau vorhandener Autos beschäftigen, ihr Wissen und ihre Erfahrungen gerne teilen. So hat Roßmy etliche Teile von einer Firma in Niederbayern bezogen, bei der es die Komponenten zu fairen Preisen, ausführlichen Rat und jede Menge Zusatz-Tipps aber völlig kostenlos gab.

Natürlich war der Stolz groß als der Mini am 14 Oktober 2015 dastand: Fahrfertig, TÜV abgenommen, zugelassen, mit Platz für vier Personen und einer Leistung von 70 KW, also etwa 100 PS. Trotzdem sehen sich die Roßmys nicht als Vorreiter – und schon gar nicht als Gurus einer neuen Zeit. Für Roßmy war die elektrische Variante ein Wunsch, weil er wusste, er würde den Strom über Fotovoltaik selbst erzeugen – damit also kohlendioxidneutral und vergleichsweise günstig. Als Allheilmittel für die Lösung der heutigen Verkehrsprobleme sieht er den Umstieg auf E-Fahrzeuge aber nicht. Abgesehen davon, dass es in größerem Maßstab schwierig wird, eine kohlendioxidneutrale Energieversorgung sicherzustellen, wird seiner Meinung nach das Hauptproblem der Zukunft in der Masse des Individualverkehrs liegen. „Hier werden neue Antriebskonzepte keine Lösung bringen. Hier werden grundlegend andere Verkehrskonzepte gefragt sein.“

Auch was die Kosten-Nutzen-Rechnung anbelangt, ist der Bastler Realist. Zwar fährt er dank des selbsterzeugten Stroms den Mini mit Energiekosten von maximal zwei Euro je 100 Kilometer. Trotzdem ist ihm klar, dass sich das Projekt bei Umbaukosten von etwa 17000 Euro und einer reinen Umbauzeit von fünf Wochen – ohne Berücksichtigung der für Recherche, Vorbereitung und Wartezeiten aufgebrachten Monate – nicht wirklich rechnet, wenn es nur um die Kostenfrage ginge.

Doch der Mini, das zeigt sich für Reinhard Roßmy und seine Söhne immer stärker, ist nur ein Teil einer viel tiefgreifenderen Idee: Aus gebrauchten Dingen und mit überschaubarem Einsatz an technischen Mitteln selbst etwas Neues zu schaffen. Das wiederum heißt, dass man mit Einfällen und deren Umsetzung nicht warten muss, bis irgendwann Industrie und Wirtschaft darauf anspringen. Vielmehr gilt: Freie Fahrt fürs eigene Genie. Wobei das Konzept für Reinhard Roßmy erst rund wird, wenn man bei der Umsetzung der Ideen nicht auf sich selbst gestellt ist, sondern auf ein Netzwerk von Gleichgesinnten zurückgreifen kann.

Deshalb überlegt er derzeit mit Stefan Weber, ob sie ein derartiges Netzwerk auf die Füße stellen sollen. Prepair-Café lautet Roßmys Arbeitstitel für diese „Selbsthilfegruppe für Selbstbauideen“, wobei sich die Ideen laut seiner Vorstellung durchaus nicht nur auf den Umbau von E-Autos beschränken müssen. Er glaubt, dass sich in Deutschland jede Menge an versteckter Kreativität findet. Sie braucht nur einen Ort, an dem sie sich, ohne belächelt zu werden, aus der Deckung trauen kann.

Erfahrungsbericht abgelehnt

Zuspruch dürfte ihnen sicher sein, wenn auch nicht unbedingt von denjenigen, von denen man Interesse am meisten erwarten würde: Als Reinhard Roßmy anbot, dass er nach 12000 Kilometern gerne seine Erfahrungen – im doppelten Wortsinn – mit Experten der Autobranche teilen würde, lies man ihn relativ kalt abtropfen: Man habe für jedes mögliche Problem bereits Lösungen in der Schublade, so die damalige Aussage.

Fakt aber ist: Den ersten Serien-E-Mini von BMW wird man wohl erst 2019 kaufen können. Bis dahin konnte Familie Roßmy schon fast drei Jahre lang die Faszination genießen, wie das Fahrzeug völlig lautlos aus der Garage gleitet.

Infos im Internet

Wer sich über das Umbauprojekt und das geplante Prepair-Café informieren will, hat dazu online unter der Adresse www.mini-cooper-e.de die Möglichkeit.

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