Schnaitsee – Auf dem Heimweg von einem Lokal wurde ein – zwischenzeitlich bei einem Verkehrsunfall getöteter – 73-jähriger Mann abends in Schnaitsee Opfer eines Überfalls. Der Täter schubste den alten Herrn zu Boden und entwendete ihm den Geldbeutel mit 33 Euro Bargeld. Der Geschädigte trug diverse Verletzungen davon. Das Schöffengericht Traunstein mit Richter Wolfgang Ott verhängte gegen den geständigen Siegsdorfer wegen Raubes und vorsätzlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, setzte sie aber auf vier Jahre zur Bewährung aus. Unter den Auflagen war, den Schaden an den Erben wiedergutzumachen.
Gewinn am Automatenspiel
Der Angeklagte und auch das Opfer hatten am 2. April 2017 unabhängig voneinander ein Musikcafé besucht. Der 73-Jährige hatte kurz zuvor 16 Euro beim Automatenspiel gewonnen. Als er aufbrach, folgte ihm der 45-Jährige, wie er über Wahlverteidiger Harald Baumgärtl aus Rosenheim vor Gericht einräumen ließ. In der Chiemseestraße auf Höhe der Kirchensurer Straße versetzte der Täter dem Schnaitseer gegen 20.30 Uhr von hinten einen Stoß. Das Opfer stürzte auf die Knie und versuchte, sich mit den Händen abzufangen. Der 45-Jährige zog dem Mann die Geldbörse aus der hinteren Hosentasche und verschwand. Der Verletzte ging zunächst nach Hause. Seine Tochter brachte ihn am Morgen zum Arzt, der blutende Abschürfungen an Hand und Ellenbogen sowie Prellungen im Schulterbereich feststellte. Die Schulterprobleme beeinträchtigten den 73-Jährigen anschließend bei der Tätigkeit in einem 450-Euro-Job. Die Folge war: Er konnte der Tochter zufolge nicht mehr weiterarbeiten. Den Räuber zu ermitteln, dauerte Monate. Ein Video zeigte, dass der damals von seiner Freundin begleitete Angeklagte im Lokal mit dem späteren Opfer gesprochen hatte. Der 45-Jährige wies aber eine Täterschaft von sich. Nach einem Streit mit der Lebensgefährtin, der er später von dem Raub erzählt hatte, ging diese zur Polizei. Im Oktober 2017 klickten die Handschellen. Die „Ex“ musste vor Gericht nach dem Geständnis des Angeklagten nicht mehr in den Zeugenstand.
Der aus der früheren DDR stammende Täter berichtete von einem schwierigen Lebensweg – einschließlich Erkrankung und Tod der Ehefrau. Der 45-Jährige, seit gut vier Monaten wegen des Vorfalls in Schnaitsee in Untersuchungshaft sitzend, war allerdings mit 21 Eintragungen im Bundeszentralregister kein unbeschriebenes Blatt.
Staatsanwalt Thomas Wüst äußerte keine Zweifel am Geständnis des Angeklagten. Es sei bestätigt durch die Aussage der Tochter des Geschädigten. Opfer der gezielten Tat mit Gewaltanwendung sei ein älterer Herr geworden. Ein minderschwerer Fall des Raubs sei nicht gegeben. Positiv zu werten sei das Geständnis, das die Beweisführung erleichtert habe. Zulasten des Angeklagten gingen seine Vorstrafen. „Seit 2008 aber ist nichts passiert“, hob der Staatsanwalt heraus.
Andererseits seien die Verletzungen durchaus erheblich. Der 45-Jährige habe sich ein älteres Opfer ausgesucht und die Tat unglaublich schnell begangen. Der 73-Jährige habe den Angeklagten deshalb nicht beschreiben können. Eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren sei erforderlich. Sie könne aber auf viereinhalb Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden, auch wegen des Geständnisses. Unter den Auflagen sollte sein, sich um Arbeit zu bemühen, die Schuldnerberatung aufzusuchen und bei den Erben den Schaden wiedergutzumachen.
Pflichtverteidiger Miguel Moritz aus Traunstein betonte die Bedeutung des Geständnisses angesichts lediglich „einer Zeugin vom Hörensagen“. Der 45-Jährige habe fast fünf Monate in Untersuchungshaft gesessen. Seine Sozialprognose sei günstig: „Er will sein Leben in den Griff bekommen.“ Die Freiheitsstrafe solle nicht über eineinhalb Jahren liegen. Das Geständnis würdigte auch Wahlverteidiger Harald Baumgärtl. Die Beute sei gering, ebenso die Verletzungen. Die letzte, 2008 geahndete Straftat des Angeklagten sei 2006 begangen worden. Somit habe der 45-Jährige seit zwölf Jahren straffrei gelebt. Neben der Schadenswiedergutmachung sei eine Meldeauflage ausreichend.
Plötzlicher Schubs
von hinten
Auch das Schöffengericht verneinte einen minderschweren Fall. Die Beute sei relativ gering, die Verletzungen nicht sehr erheblich, unterstrich Richter Wolfgang Ott. Der Schubs von hinten sei für den 73-Jährigen völlig überraschend gekommen. Entscheidend für die Straffindung sei das Geständnis gewesen. Ganz wesentliche Punkte für Bewährung seien die lange straffreie Zeit und die erstmalige Inhaftierung, die sich der Angeklagte zur Warnung dienen lassen werde.
Die 33 Euro sollten an die Erben rückerstattet werden, so der Vorsitzende. Das Gericht hob weiter den Haftbefehl auf. Sichtlich erleichtert konnte der 45-Jährige den Sitzungssaal als freier Mann verlassen.