Gespräch mit Caritas-sammlerin Johanna Karrer

Selten wird ihr die Tür zugeschlagen

von Redaktion

Wenn es in der nächsten Woche an der Haustür klingelt, ist es wahrscheinlich eine Caritas-Sammlerin oder ein Sammler. Sie sind ausgeschickt, um Gelder zu sammeln, die für Hilfsprojekte innerhalb der jeweiligen Pfarrgemeinde und beim Caritas-Zentrum in Rosenheim verwendet werden. Johanna Karrer ist eine der Sammlerinnen.

Flintsbach – „Nein Danke!“ sagt der Herr noch barsch, dann ist die Tür zu. Richtig zu. Hanni Karrer aus Flintsbach trägt es mit Fassung. Schließlich passiert es sehr selten, dass ihre Frage, ob sie für die Caritas sammeln dürfe, derart barsch beantwortet wird. Außerdem ist sie in dem Geschäft kein heuriger Hase mehr, seit über 40 Jahren sammelt sie schon, und deshalb gibt sie auch bei dem kurzangebundenen Herrn nicht so leicht auf: Der sei neu zugezogen, meint sie, kenne sich noch nicht so recht aus, der kriege in diesem Jahr auf jeden Fall von ihr noch den Infobrief von der Caritas mit einem Überweisungsträger.

Noch lieber würde sie ja mit ihm reden, ihm erzählen, warum gesammelt wird und wofür. Denn dafür besteht manchmal selbst bei denen Erklärungsbedarf, die eigentlich schon seit Jahren bei den Sammlungen spenden. „Ich habe mir lang überlegt, ob ich dieses Jahr was gebe und wollte eigentlich nicht mehr – aber weil Du es bist …“ Solche oder ähnliche Sätze hört Hanni Karrer immer wieder. Und denen würde sie gerne sagen, dass das Geld nicht nur bei ihr, sondern auch im weiteren Verlauf gut aufgehoben ist. 40 Prozent bleiben sowieso in der Pfarrgemeinde, die damit schnelle und unbürokratische Hilfe vor Ort leisten kann, 60 Prozent gehen an das Caritas-Zentrum in Rosenheim. Auch dort verschwindet kein Euro in irgendwelchen dubiosen Töpfen, kein Cent geht für Verwaltung oder Papierkrieg drauf, das gesamte Geld kommt da an, wo es gebraucht wird: Bei denjenigen Hilfs- und Unterstützungsangeboten der Caritas, die sich ohne staatliche Zuwendung finanzieren müssen.

Keine Zuschüsse vom Staat? Heißt das, dass es um Projekte geht, die im Grunde nicht wirklich wichtig sind? Auch hier hätte Hanni Karrer eine Antwort, denn sie kennt die Zahlen: Allein in Rosenheim nehmen derzeit 2600 Leute die Hilfsangebote der Caritas an und dabei geht es meist um Leute in einer Lebenssituation, in der sie völlig überfordert sind und sich nur noch von Problemen umstellt sehen. Ihnen versucht man, zu helfen, selbst wieder einen Schritt vor den anderen zu setzen. Die Schwierigkeit dabei ist, meint Hanni Karrer, dass sich viele in so eine Situation überhaupt nicht hineindenken können. „Natürlich haben wir ein soziales Netz und der Staat hilft auch. Jemand, der mit Saft und Kraft, mit Geld und Freunden mitten im Leben steht, versteht deshalb nicht, warum man Probleme, selbst wenn mehrere gleichzeitig auftreten, nicht einfach nacheinander abarbeiten kann“, sagt sie. Diejenigen, die Hilfe bei der Caritas suchen, hängen aber oft schon halb aus dem sozialen Netz heraus, die sehen selbst in den staatlichen Unterstützungsangeboten keine Möglichkeiten mehr, sondern nur noch eine weitere Folge von Hürden, jede einzelne für sich ein mutlos machender Berg. Für so jemand ist der Rat „geh doch einfach aufs Amt und fülle einen Antrag auf Unterstützung aus“ ungefähr so hilfreich wie der Tipp „der Lotto-Jackpot ist gerade voll. Hol ihn Dir!“

Die Arbeit der Caritas besteht deshalb sehr oft schlicht in der Hilfe, an Hilfe zu kommen. Unterstützt wird dabei jeder, unabhängig von Nationalität oder Konfession. Für Hanni Harrer liegt genau darin der Grund, warum sie seit 1975 in Flintsbach sammelt, warum sie es vorher auch schon in Neubeuern getan hat. „Leuten die in Schwierigkeiten sind, sagt sie, muss man helfen, das ist einfach so, da kann man nicht aus. Direkte Hilfe kann ich nicht anbieten, aber als Sammlerin kann ich das Meine dazu tun“.

Was bei dem ganzen Reden ums Geld nicht vergessen werden sollte: Die Sammler haben auch eine durchaus nicht unwichtige soziale Aufgabe. Selbst in einem Dorf wie Flintsbach, wo man sich in der Straße noch kennt und miteinander spricht, gibt es Menschen, die weniger Kontakt haben und deshalb froh sind, wenn sie mal ein Gegenüber zum Reden finden. Für sie plant Hanni Karrer bei ihrer Sammlungstour von vornherein mehr Zeit ein: „Es tut einfach jedem gut, wenn man mal nicht bloß mit dem Hund oder der Katz reden kann, sondern mit jemandem, der einem auch eine Antwort gibt.“

Von daher wäre es fatal, wenn – wie bei manchen Pfarrgemeinden jetzt schon der Fall – mangels Sammlerinnen nur noch Infobriefe mit Überweisungsträgern ausgesandt werden könnten. Hanni Karrer ist – vielleicht auch wegen ihres durch und durch offenen und optimistischen Naturells – da jedoch nicht wirklich bange. Ihr Tipp zur Nachwuchsrekrutierung: „Man muaß de eifanga, de jetzt ind Rentn gehn, de no zu guat beinand san, als dass nix dean woin“.

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