Stephanskirchen – Wer sich auf Spurensuche nach Johann Vogl begibt, der wird im Stadtarchiv Rosenheim fündig. Sein inzwischen 96-jähriger Neffe überließ dem Archiv schon vor Jahren verschiedene Familiendokumente, darunter Abschriften der Briefe, die Johann Vogl aus dem Konzentrationslager an seine Frau Maria geschrieben hatte.
Auch das Gebäude des kleinen Kiosk‘ an der Schloßbergabfahrt erinnert heute noch an den aufrechten Mann, der sich dem NS-Regime nicht beugen wollte. Noch in diesem Jahr wird dort ein „Stolperstein“ zur Erinnerung an Vogl verlegt.
Leopold Vogl erinnert sich gern an seinen Onkel. Er beschreibt ihn als sehr kinderlieb. Aufgrund seiner Erfahrungen als Jugendlicher und als Soldat im Ersten Weltkrieg habe er sich stets für Schwächere und Benachteiligte eingesetzt, wie der Neffe zu berichten weiß.
Johann Vogl betrieb gemeinsam mit seiner Frau den Kiosk am Schloßberg und einen weiteren in Redenfelden bei Raubling. Er bezeichnete sich als Freidenker und engagierte sich bei der „Roten Hilfe“ in Rosenheim, die sich für politische Gefangene einsetzte, und beim „Einheitsverbands für proletarische Sexualreform und Mutterschutz“. Anfang der 1930er- Jahre protestierte er bei Versammlungen der NSDAP in Rosenheim gegen deren Nazipropaganda.
Kurz nach der Machtergreifung 1933 wurde Johann Vogl in Rosenheim für zwei Monate in „Schutzhaft“ genommen. Ende 1936 wurde er erneut verhaftet und ohne Prozess in Dachau eingesperrt. Über ein Jahr lang war er dort dem Terror der SS ausgesetzt. An seinem 40. Geburtstag starb er in Dachau. Mit größter Wahrscheinlichkeit wurde er ermordet, wie nicht nur sein Neffe glaubt.
Johann Vogl war ein Mensch, der sein Herz am rechten Fleck hatte, der sich nicht verbiegen ließ und bis zuletzt zu seinen Werten und Idealen stand, das lässt sich aus den Dokumenten ablesen. Er musste dafür mit seinem Leben bezahlen.
„Trotzdem und gerade deshalb ist er für uns alle ein Vorbild. Es hätte damals mehr Menschen wie Johann Vogl gebraucht – und es braucht sie auch heute“ – so lautete auch die einhellige Meinung im Gemeinderat von Stephanskirchen, als die Verlegung des „Stolpersteins“ beschlossen wurde. Am Montag, 16. Juli, um 9 Uhr soll es so weit sein. Vor seinem Kiosk – daneben liegt auch sein letzter Wohnort – wird der „Stolperstein“ verlegt. Am Vorabend ist eine Gedenkveranstaltung in Stephanskirchen geplant, die auch an weitere Opfer der Nazis erinnern wird – an die jüdische Familie Block aus Niedernburg, für die am 16. Juli um 10.30 Uhr „Stolpersteine“ verlegt werden.
Bei diesen Erinnerungssteinen handelt es sich um zehn mal zehn Zentimeter große Messingplatten im Gehweg vor dem letzten Wohnort von Opfern des Naziterrors, auf denen ihr Name und ihr Schicksal eingraviert sind. Über 60000 wurden schon in ganz Europa verlegt.
Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat sie geschaffen und nennt sie eine „soziale Skulptur“: Immer recherchieren lokale Initiativen die Biografien, oft mithilfe von Schülern, die auf diese Weise einen ganz konkreten Geschichtsunterricht erleben. In Stephanskirchen beschäftigt sich derzeit das Schulradioprojekt der Otfried-Preußler-Mittelschule mit dem schweren Schicksal von Johann Vogl.