Bad Endorf – Was ist los, wenn in Bad Endorf Afrikaner mit Soulsängern aus Amerang gemeinsame Sache machen? Dann ist der Moosbauerplatz wieder mal aus seinem Dornröschenschlaf erwacht und öffnet sich für das Fest der Kulturen: Diesmal fanden sich noch mehr Besucher ein als beim Start im letzten Jahr. Und wenn man die Begeisterung der Besucher zum Maßstab nimmt, dann wird das Fest ohne Frage zu einer Konstante im Bad Endorfer Veranstaltungsprogramm.
Dabei ist man sich gar nicht sicher, ob man dem Fest der Kulturen großes Wachstum und viel stärkeren Zulauf überhaupt wünschen soll. Einerseits natürlich schon: Denn von einem Nachmittag, der allen Anwesenden so viel gute Laune beschert, sollen klarerweise viele etwas haben. Aber andererseits hat man ein klein wenig Angst, dass das Fest, wenn es im Lauf der Zeit immer größer würde, das Unbekümmerte und seine Lockerheit verlieren könnte.
Diese Lockerheit ist es nämlich, was den unverwechselbaren Charme des Fests der Kulturen ausmacht: Das Ganze wirkt so, wie man sich eine spontane Party in einem funktionierenden „Multikulti-Kiez“ vorstellt. Nicht verabredet, sondern sich zufällig entwickelnd. Einige machen Musik, andere kommen hinzu, schließen sich an. Wieder andere haben etwas zum Essen dabei, teilen es wie selbstverständlich unter allen Anwesenden, finden Nachahmer und am Ende wird daraus ein richtig rundes Fest.
Natürlich steckt hinter der Veranstaltung in Wirklichkeit in der Gestalt von Robert Hell ein planender Kopf, der die Gruppen, die Musikgruppen organisierte und mit dem Helferkreis Asyl besprach, dass der sich ums leibliche Wohl kümmern wird. Aber – und das ist die Kunst – es wirkt nicht überorganisiert. Statt eines starren Ablaufkorsetts gibt es viel Freiraum und die Künstler spielen quasi inmitten ihrer Zuhörer.
Kommunikation auch ohne viele Worte
Der Eindruck von Freiheit und Unbekümmertheit wird verstärkt, weil sich beim Fest der Kulturen tatsächlich Leute aus allen Nationalitäten treffen. An Kleidern war vom Dirndl über russische Tracht, marokkanischem Kaftan bis zu Kopftuch und streng verhüllendem Mantel alles zu sehen. Dabei steht man nicht nur selbstverständlich und ohne jeden scheelen Blick nebeneinander – was an sich ja schon viel wäre. Sondern man kommt auch miteinander in Kontakt: Das muss nicht immer über Sprache geschehen, da genügen Blicke, etwa wenn die ältere Dame im fröhlich gelben Kostüm und die junge Irakerin im strengen Kopftuch mit ihren Handys jeweils die Musiker filmen, sich zufällig anschauen und sich dann über beide Gesichter ein breites komplizenhaftes Lächeln zieht.
Für viele der Zuschauer ist das keine Überraschung. Michaela Fabri zum Beispiel, die sich für die Partnerschaft zwischen Bad Endorf und dem ukrainischen Volovec mit engagiert, erlebt es, wie sie sagt, bei den Treffen zwischen den Gemeinden immer wieder: Sobald Musik ins Spiel kommt, ist eine gemeinsame Sprache da, fällt alles Steife und Unsichere ab. Und dabei ist diese Sprache wirklich kulturenübergreifend: Da ist Rafea Al-Aouchi aus dem Irak, der mit seiner Frau Majeda und seinen Töchtern irakische Leckereien am Essensstand anbietet, aber jede freie Sekunde ausnützt, um mit seinem Handy die Darbietungen festzuhalten. „So viel unterschiedliche Musik“, sagt er, „das gibt es nur in Deutschland. An solchen Tagen ist es wunderschön, hier zu leben“.
Liebeslieder
aus der Ukraine
Seine Begeisterung umfasst dabei durchaus nicht nur den Schwung und das Tempo vom „Bayerisch türkischen Mittelmeer-Orchestra“ oder den treibenden marokkanischen Rhythmus des Duo „Tagmat“ sondern sehr wohl auch die sanften, teilweise wehmütigen Liebeslieder, die Viktoria Slychko aus Volovec mit ihren beiden Begleitern an Akkordeon und Gitarre zum Besten geben wie die Volkslieder des deutsch-russischen Chores „Hoffnung“.
Dass das „Fest der Kulturen“ tatsächlich zu einem Fest von Menschen aus verschiedensten Nationen geworden ist, ist umso schöner, weil es nicht gewaltsam darauf hingetrimmt wurde, sondern sich das mehr oder weniger von selbst ergab. Ursprünglich wollte Robert Hell dem Moosbauerplatz nur etwas mehr Leben einhauchen, weil der seiner Meinung doch ab und zu etwas „dodelt“. Deshalb hat er vor Jahren rund um den renovierten Brunnen ein Nachbarschaftsfest mitorganisiert.
Schon bei der Wiederholung im Jahr darauf waren die teilnehmenden Akteure aber so „bunt“ geworden, dass er das nächste Fest, das im letzten Jahr stattfand, bereits als „Fest der Kulturen“ ausrief. Nach wie vor bekommen die Musiker übrigens kein festgelegtes Honorar, man geht im Laufe des Nachmittags einfach mit einem Hut herum. Das, was sich darin findet, wird dann unter allen redlich geteilt. Auch das garantiert, dass diejenigen, die teilnehmen, es in erster Linie aus purem Spaß machen, weil sie es toll finden, mit ihrer Musik ein Teil dieser fröhlich und ausgelassenen Stimmung zu sein.
Von daher bleibt als Fazit des Festes: Wer nach diesem Nachmittag nicht mit einem Lächeln nach Hause ging, war schlicht nicht dabei.