Obing/Amerang – Nun, gewonnen hat das „Team Wild Dessert“, wie sich die sechs nennen, nicht. Der dritte Platz unter 28 Teams war für die einzigen Teilnehmer aus der Region aber drin. Dafür gab es anstatt des echten Kamels eine kleine Kamel-Statue aus Messing. Die steht nun auf dem Esstisch von Fabian Stadler. Daneben eine Medaille und ein zerlesenes Roadbook – Erinnerungen an ein einmaliges Abenteuer. „Da haben sie geschaut am Flughafen“, erzählt Fabian Stadler mit Blick auf die Kamel-Statue.
Gemeinsam mit dem Obinger Alexander Müller lässt er die Fahrt Revue passieren. Die beiden 26-Jährigen waren das erste Mal dabei. Mit in ihrem Team waren Michael und Gitti Michel aus Evenhausen und Herbert und Elke Meyer aus Amerang. Mit drei alten Audis hatten sie sich auf den Weg gemacht. In Bischwiller, nahe Straßburg, ging es am 5. Mai los. Als Erstes stand in Günzburg eine Aufgabe an. In Zusammenarbeit mit einer Brauerei mussten sie eine kleine Rallye bestreiten. Als Belohnung gab es das Roadbook; sozusagen die Bibel der Reise, die sowohl Wegweiser, als auch Aufgaben beinhaltete, in der alle Etappen der Reise festgehalten werden müssen und die am Schluss ausgewertet wird.
Dann kamen sie noch einmal in Obing vorbei. Von da ab ging es dann wirklich los. Durch Österreich und Ungarn fuhren sie nach Bulgarien. In Weliko Tarnowo überreichte die Gruppe Sachspenden an eine Kinderheim-Leiterin. Dann kam die Türkei. Sie fuhren bis an die Grenze zum asiatischen Teil. „Wir waren noch vor dem Organisationsteam da“, sagt Alexander Müller. Viele Teams hätten nämlich die schönere, aber längere Route über Kroatien gewählt. Dem „Team Wild Dessert“ war es aber wichtiger, schnell anzukommen und vor Ort ein wenig mehr Zeit zu haben. Von da ab gab es vermehrt Aufgaben und Rätsel zu lösen. Anhand von Bildern mussten sie den Weg finden, von Fotos Sehenswürdigkeiten machen oder markante Punkte fotografieren.
In Istanbul durften die Teilnehmer nahe dem Taksim-Platz campen. „Da haben wir den ersten freien Tag gehabt und die Stadt angeschaut“, erzählen die zwei Obinger. Mit einer Polizei-Eskorte sei es dann wieder aus der Stadt hinaus gegangen; nicht weil es sonst zu gefährlich wäre, „das machen die wohl gerne für die Rallyefahrer“, sagt Fabian Stadler. In Istanbul habe sich auch der deutsche Botschafter zu den Rallye-Fahrern gesellt. In seiner Rede sei noch einmal deutlich geworden: „Wir fahren auch für den Frieden“, so Alexander Müller.
Weiter ging es nach Riva. Dort war gerade das Trainingslager der türkischen Fußball-Nationalmannschaft. Einige Rallye-Fahrer hätten gegen ehemalige und aktive Spieler gekickt. Dort hat das „Team Wild Dessert“ auch das Trikot des TV Obing überreicht, das sie mitgenommen hatten – auch eine Aufgabe der Rallye. In Zonguldak nahmen sie an einem großen Fest teil.
Zwischen den Zielen galt es natürlich, immer Auto zu fahren. „Man unterschätzt die Strecke“, sagt Alexander Müller. So seien sie eigentlich immer später an den Etappenzielen angekommen als geplant. Auch wenn es einmal nur 200 oder 300 Kilometer waren, die Rallye-Fahrer konnten sich sicher sein: Die Fahrt zog sich. Vor dem späten Abend seien sie nie am Ziel gewesen.
Über Ankara ging es weiter nach Nigde. Dazwischen aber hatten die Obinger die erste Autopanne. „Es hat einen Stoßdämpfer zerlegt“, sagt Fabian Stadler. Mechaniker im türkischen Ürgüp konnten das Teil reparieren. Das habe aber Stunden gedauert, erinnern sich die Obinger. Nach Adana kamen die Autos auf die Fähre. Die Rallye-Fahrer hatten einen freien Tag in Adana. „Da war es am heißesten. Es hatte über 40 Grad“, erzählen die beiden 26-Jährigen. Dann nahmen sie das Flugzeug und reisten ihren Autos hinterher. Der Teil der Strecke ist seit einigen Jahren nicht mehr Teil der Rallye, denn zwischen der Türkei und Israel liegt Syrien; Kriegsgebiet. „Vom Krieg haben wir auf unserer Reise aber nichts mitbekommen“, sagt Alexander Müller. Auch wenn Schilder darauf hingewiesen hätten, dass in nur wenigen Hundert Kilometern Kriegsgebiet sei; außer bewaffneten Polizisten und Soldaten sei alles ruhig gewesen.
In Israel ging die Reise weiter. Von Tel Aviv fuhren sie nach Jerusalem. Auch dort mussten sie Aufgaben bewältigen. Im Toten Meer mussten sie mit Kajaks fahren und mitgebrachtes Wasser im Meer verteilen. „Wir hatten Wasser aus dem Ameranger Bach dabei“, erzählt Alexander Müller. An der Grenze zu Jordanien galt es dann wieder zu warten. Da nämlich gingen die Autos in den Besitz des Königs über, damit kein Zoll erhoben wird. In Aman sei die Gruppe in ein Fotostudio gegangen und habe die Fotos von der Reise ausgedruckt. Schließlich musste alles noch ins Roadbook eingeklebt werden.
Dann kam die Wüste. „Das sollte man alleine nicht machen“, erklären die Obinger. „Am Anfang sind alle einfach herum gefahren“, sagt Müller. Je weiter es aber in die Wüste ging, desto weniger Orientierung gab es. „Da gibt es keine Anhaltspunkte mehr. Keiner hat mehr gewusst wohin.“ Mit 15 km/h ging es gut 100 Kilometer durch den Sand. Die spitzen Steine hätten einen Reifen zerstört; auch ein Bodenblech hätten sie verloren. „Andere Autos waren aber noch viel schlimmer zugerichtet. Uns hat gewundert, dass nicht mehr Reifen kaputt gegangen sind bei den spitzen Steinen.“ Am Ende hätte sogar das Organisationsteam die Orientierung verloren. Langsam tasteten sie sich durch die Wüste. Am Rand seien sie auf Beduinen-Familien getroffen. „Denen haben wir unsere Campingstühle und -tische geschenkt“, sagen die Obinger. Außerdem gaben sie ihnen einige Hilfsgüter, die sie dabei hatten. Schließlich sei die Reise am nächsten Tag zu Ende gewesen. An der Jordanischen Seite des Toten Meeres endete das Abenteuer.
„Man kommt an Orte, die man sonst nie sehen würde, und trifft Leute, die man so nie treffen würde.“ Alexander Müller
Fabian Stadler erklärt: „Das war eine tolle Erfahrung.“ Kumpel Alexander Müller fügt an: „Man kommt an Orte, die man sonst nie sehen würde, und trifft Leute, die man so nie treffen würde.“ Wo es nun am schönsten war, darüber sind sich die Obinger nicht einig. „Landschaftlich war die Türkei der Wahnsinn, und die Wüste war eine Erfahrung“, so Alexander Müller. Fabian Stadler sagt: „Alles war auf seine eigene Art schön.“ Darum sind sich die beiden Obinger auch einig, wieder einmal an einer Europa-Orient-Rallye teilzunehmen. „Vielleicht aber nicht gleich im nächsten Jahr“, sagt Fabian Stadler.
Bleibt noch die Frage, wer denn nun die Kamel-Statue bekommt. „Die bleibt wohl beim Herbert“, sagen sie. Schließlich habe Herbert Mayer, der schon mehrmals an der Rallye teilgenommen hat, viel Fachwissen mitgebracht, dafür gesorgt, dass die Autos fahrbereit sind und dass Sponsoren das Team unterstützen. „Ohne sie wäre das nicht möglich gewesen“, sagen die beiden Obinger.