Vortragsreihe „Das Dorf – Heimat mit Zukunft“ am samerberg

Verkommt der Begriff „Heimat“ zum Konsumgut?

von Redaktion

Architekt Dr. Vinzenz Dufter und Heimatpfleger Martin Wölzmüller sprachen über „Heimatpflege und Baukultur“

Samerberg – „Nicht nur die Menschen, sondern auch die Häuser sollen miteinander reden“, appellierte Architekt Dr. Vinzenz Dufter. Zusammen mit Martin Wölzmüller, dem obersten bayerischen Heimatpfleger, hielt er einen Vortrag zum Thema „Heimatpflege und Baukultur“, organisiert von der Bürgerinitiative (BI) „Zukunft am Samerberg“. Es war bereits die dritte Veranstaltung im Rahmen einer Vortragsreihe mit dem Thema „Das Dorf – Heimat mit Zukunft“.

Heimat und Heimatpflege haben in Bayern ein historisches Fundament. Aber was genau ist Heimat? Eine gute Frage, werde doch der Begriff fast inflationär in allen Lebensbereichen verwendet: bei Webauftritten der Tourismusverbände, in der Bierwerbung, auf Zeitschriften und sogar in politischen Reden. „Der Begriff Heimat entwickelt sich zum Konsumgut“, hieß es in der Veranstaltung. Der Freistaat werde reduziert auf BMW, Oktoberfest, Bierzelt, Blasmusik, Almen und Kühe. Und natürlich laufen alle das ganze Jahr über in Lederhose und Dirndl herum. Doch Heimat in Bayern sei nicht nur Maibaum, Schützenfest, Volkstanz, Trachtengwand, nicht nur Tradition und gute alte Zeit. Heimat in Bayern sei viel mehr.

Grundsätzlich sei die bayerische Baukultur auf hohem Niveau. „Der Freistaat hat eine überdurchschnittliche Dichte an erhaltenen Siedlungs- und Landschaftsstrukturen“, erklärte Wölzmüller. Es gebe viele schöne Städte und Dörfer und einen großen Anteil an der Bevölkerung, dem der Erhalt des Alten und die gute Qualität des neu Entstehenden ein Anliegen sei. Es werden viele Regeln eingehalten, um die Kulturlandschaft und Ortsbilder zu erhalten, fuhr der Referent fort: in der Landes-/Regionalplanung, Bauplanungs-/ Bauordnungsrecht oder Denkmalschutzgesetz. Allerdings: „Wir haben in mancher Hinsicht einfach kapituliert vor der schlampigen Gestaltung unserer baulichen Umwelt.“ Genehmigungsbehörden, Gemeinden, Gesetzgeber geben auf vor einem massiv durchgesetzten sogenannten Bürgerwillen, so der Referent. Das Ausmaß davon sei sichtbar: Häuser, die definitiv vom Stadt- oder Dorfbild abweichen: ein Toskana-Haus, ein Jodlerhaus im Stil einer Alm, eine kanadische Jagdhütte oder ein Haus mit griechisch-römischem Einfluss. Noch schräger werde es, wenn 3000 Jahre Kulturgeschichte in einem einzigen Bauvorhaben umgesetzt werden: Da würden barocke Klostermauern mit ägyptischen Pyramiden als Dachgauben vermischt, gekrönt mit einem Burgfähnchen.

Ein weit verbreitetes Phänomen: Mauern und Zäune, die signalisierten: Nachbar, lass mich in Ruhe. Vielen sei dabei nicht bewusst, dass der Hausbau eine hohe Wirkung auf den öffentlichen Raum habe. Wie jemand seine Innenräume einrichtet, gehe keinen etwas an, das äußere Erscheinungsbild aber schon, betonte Martin Wölzmüller. Wer ein Haus baut, „möbliert die Lebenswelt von uns allen“. Dementsprechend habe sich die Gemeinschaft ein Mitspracherecht daran gesichert, das auch in Zukunft bestehen bleiben soll.

Wölzmüller ist sich sicher, dass gutes Planen und Bauen davon abhängt, ob die Bauherren wissen, „wie sie ihre Entscheidung im Einklang zwischen eigenen Bedürfnissen und öffentlichem Wohl treffen können“. Dafür wichtig seien wiederum Institutionen, Gremien und Personen, die sich darum kümmern, dass Vorgaben und Leitlinien formuliert werden. Am Samerberg wird derartiges Gremium bereits angedacht.

Architekt Vinzenz Dufter zeigte in einem Bildervortrag gelungene Beispiele, wie alte Gebäude zeitgemäß, aber nach individuellen Bedürfnissen modernisiert werden können. Eine leere Dorfmitte finde so wieder zu neuem Leben.

Ein weiterer Punkt waren Neubauten. Wenn flach geneigte Dächer die Regel sind, wie im südbayerischen Raum, sollte der Neubau kein Steildach bekommen. Wenn alle Häuser giebelständig ausgerichtet sind, sollte der Neubau sich auch daran orientieren. Ziel sei es, dass sich die Gebäude in den örtlichen und regionalen Kontext einfügten, eine Gemeinschaft bildeten. Dufter ist sich sicher, dass „wir keine bunten Neubaugebiete brauchen, die weder Thema noch Orientierung haben und wo die Gebäude nicht miteinander sprechen“. Heimat sei Gemeinschaft und gehe alle etwas an.re

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