Besuch bei einer aussergewöhnlichen hofgemeinschaft

Freiheit zwischen Beeren und Bohnen

von Redaktion

Was gemeinsam alles möglich ist, beweisen seit Jahren die Mitglieder einer Hofgemeinschaft in Thansau. Aus einem verwahrlosten Anwesen haben sie ein Refugium der Ruhe und der Natur geschaffen. Und versorgen nebenbei noch die Nachbarschaft mit ihrem Obst und Gemüse.

Rohrdorf – Bis auf ein leises Zirpen einiger Grillen sowie des monotonen Summens der Bienen ist kaum ein Laut zu hören. Nur Don Carlos, der feurige und temperamentvolle Italiener – ein recht aufgeblasener Gockel – durchbricht die Stille, die rund um das Anwesen an der Wöhrstraße im Rohrdorfer Ortsteil Thansau herrscht. Mit einem lauten Kikeriki macht der Hahn mit dem feuerroten Gefieder und dem großen Kamm, der zu einer italienischen Hühnerrasse gehört, klar, wer der Chef im Haus ist. Oder zumindest im Hühnerstall.

Die eigentliche Chefin im Haus – oder besser gesagt auf dem Hof – ist Gerlinde Reith (56). Auch wenn sie sich selbst niemals als Chefin bezeichnen würde, war sie doch die treibende Kraft, als acht Personen 2011 das heruntergekommene landwirtschaftliche Anwesen mit einer Ackerfläche von rund 1,5 Hektar ersteigert hatten. Um dort gemeinsam – in abgetrennten Wohnungen – zu leben und sich mit Obst, Gemüse, Eiern und Strom mittels Fotovoltaikanlage selbst zu versorgen.

Ökologisches Denken als Leitlinie

„Es war der Wunsch nach Freiheit, der uns auf diesen Weg geführt hat“, erklärt die braungebrannte Frau mit den rötlichen, nackenlangen Haaren. Doch vor der Freiheit stand der Schweiß: Monatelang wurde das riesige Anwesen, dessen Prunkstück ein kleiner Zwiebelturm ist, auf Vordermann gebracht, nachdem es die acht Gesellschafter – die sich als GbR, also als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, zusammengetan und für knapp eine Million Euro ersteigert haben.

Entstanden ist ein Refugium der Ruhe, das Natur und ökologisches Denken für jeden Besucher greifbar werden lässt. Um den Hof in der Mitte, der nicht nur durch eine Vielfalt an Pflanzen, sondern auch durch verschiedene Steinfiguren zum echten Blickfang wird, erstrecken sich nahezu kreisförmig die Wohnungen. Aber auch die ersten Beete und Gewächshäuser, die sofort zeigen, dass hier nicht nur Menschen leben, sondern die Natur ebenfalls ihren Platz hat.

„Eigentlich hatten wir zunächst nur vor, gemeinsam Obst und Gemüse für den Eigenbedarf anzubauen“, verrät Georg Kecht (56), Lebensgefährte von Reith. „Nachdem aber immer Obst und Gemüse übrig geblieben waren, haben wir angefangen, das, was zu viel war, zu verschenken.“ 2014 reifte dann die Idee, Kartoffeln, Bohnen und Co. über einen eigenen Hofladen zu vertreiben.

Mittlerweile hat der kleine Verkaufsraum immer Freitagnachmittag und Samstagvormittag für die Kunden geöffnet. Die können sich dann mit allem eindecken, was das Genießerherz höher schlagen lässt: Von diversen Kräutern über Kartoffeln verschiedenster Sorten, zwölf unterschiedlichen Tomatenarten und bunten Salaten bis zu allerlei Beeren, Zucchinis und Gurken. Zudem befinden sich auf dem Gelände ein Hühnerstall und eine großzügige Freilauffläche für das Federvieh, das Eier für die Kundschaft liefert.

„Gesundes, ehrliches Gemüse“ – diesem Motto haben sich die Produzenten verschrieben. „Hier werden keine Pestizide verwendet, unsere Produkte haben absolute Bioqualität“, sagt Kecht, der auch ohne Biolabel leben kann. „Die werden schließlich oft genug einfach nur eingekauft.“ Dafür setzt die GbR, die vielen alten Obst- und Gemüsesorten ein Überleben sichern will, auf ein besonderes Hilfsmittel: Mineralien. Eine Passion von Gerlinde Reith, die lange Zeit in Aising ein Geschäft für Heilsteine, Räucherwaren und vieles mehr geführt hat und nun diese Produkte in einem kleinen Laden auf dem Anwesen in Thansau vertreibt.

„Die Halbedelsteine sind ein Grund, weshalb beispielsweise unsere Tomaten so groß werden“, sagt die 56-Jährige, deren Augen bei diesem Thema und deren mögliche Wirkung auf die Organismen zu leuchten beginnen. So werden beispielsweise viele Pflanzen mit Bergkristallen gedüngt. Wer gesunde Rosen haben will, dem empfiehlt Reith, dem Dünger Rosenquarz beizufügen. Dass sie für ihre Leidenschaft von Mitbürgern belächelt werden könnte, damit hat Reith kein Problem. Schließlich sei die Wirkung von Mineralien auf den Körper in einigen Bereichen bereits wissenschaftlich belegt, so die Thansauerin.

Geleistet wird die Feld- und Gartenarbeit auf dem Anwesen von allen Bewohnern gemeinsam. „Freitagabend und den ganzen Samstag sind wir zusammen im Einsatz“, verrät Reith. Schließlich geht jeder an den Werktagen noch seiner üblichen Arbeit nach.

Doch was sind das für Personen, die gemeinsam in dieser Idylle leben? Eine von ihnen ist die 64-jährige Nora Rohde. Sie stammt ursprünglich aus Niedersachsen und kennt Reith seit vielen Jahren durch Meditationsangebote. „Nach der Rente habe ich mich dann dazu entschlossen, auf den Hof zu ziehen“, sagt die 64-Jährige, „und ich habe es nicht bereut.“ Vom Polizisten bis zur Lehrerin reicht das berufliche Spektrum der Mitbewohner. Doch so unterschiedlich die Tätigkeiten der Menschen, so einheitlich ist den Wunsch, dem die Bewohner hierher gefolgt sind. „Wir haben hier jede Menge Freiheit“, sagt Reith, „und können uns in der Gruppe in allen Lebensphasen unterstützen.“

Erweiterungen

sind geplant

Dass es in einer derartigen Gemeinschaft auch zu Reibereien kommt, ist selbstverständlich. Nach Angaben von Reith geht es dabei aber nie um die GbR und das Thema Hofladen, sondern um private Schwierigkeiten innerhalb der verschiedenen Familien und Partnerschaften. So habe ein ehemaliger Miteigentümer nach der Trennung von seiner Frau das gesamte Projekt schlechtgeredet, wie Reith berichtet: „Dabei hatte das nur mit den Unstimmigkeiten zwischen den beiden zu tun.“

Wenn jemand die Gemeinschaft verlassen will, haben neue Bewerber die Möglichkeit, sich in die GbR einzukaufen. Interessenten gäbe es genug, wie die 56-Jährige verrät. „Anzeigen brauchen wir keine schalten“, sagt Reith und lacht. „Wir finden immer jemanden aus unserem persönlichen Umfeld, der sich uns anschließen will.“

Schließlich werden beim Anbau von Obst und Gemüse und dem Verkauf der Waren im Hofladen auch alle Hände gebraucht, nachdem die GbR in den kommenden Jahren noch weitere Ackerflächen bestellen will. So denkt Reith über ein eigenes Spargelfeld nach, zudem soll der Hühnerbestand von derzeit 45 Tieren verdoppelt werden. Reith: „Die Nachfrage nach Eiern ist riesig.“ Don Carlos, der stolze italienische Hahn, wird dann auch den Neuankömmlingen im Hühnerstall schnell klar machen, wer hier das Sagen hat.

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