gemeinderat rohrdorf gibt eigenes gutachten in auftrag

Die Autobahn und das Wasser

von Redaktion

Der Ausbau der A8 bringt für Rohrdorf kaum eine zusätzliche Hochwassergefahr mit sich. Zu diesem Schluss kommt das Gutachten, das ein Münchner Ingenieurbüro im Auftrag der Autobahndirektion Südbayern erstellt hat. Das bezweifeln die Rohrdorfer Räte ganz massiv – nicht zuletzt, weil wesentliche Aspekte nicht berücksichtigt worden seien. Sie gaben nun selbst ein Gutachten in Auftrag.

Rohrdorf – Durch die Entwässerung der dann sechsspurigen Autobahn dürfen keine zusätzlichen Wassermengen in das Thansauer Grabensystem gelangen, und die Hochwassergefahr in den Ortsteilen darf durch das Mehr an versiegelter Fläche nicht weiter ansteigen – dies ist eine der zentralen Forderungen der Gemeinde im laufenden Planfeststellungsverfahren, die bereits in einer Sondersitzung am 23. Oktober 2014 formuliert worden ist – just an dem Tag, an dem in Thansau buchstäblich „Land unter“ herrschte. Das unabhängige Gutachten, das die Autobahndirektion in diesem Zusammenhang nachliefern musste, war nun, gut dreieinhalb Jahre später, Gegenstand einer Sondersitzung zum Thema „Entwässerungsplanung für den Autobahnausbau“, die zahlreiche Zuhörer mitverfolgten.

Knud Kramer, Ingenieur im Bereich Wasserbau bei der EDR GmbH, führte zunächst mit allgemeinen Erklärungen zu hydraulischen Modellen, Risikokarten und Ganglinien in das komplexe Thema Hydrologie ein. Bei seinen Untersuchungen, so erläuterte er, wurde die Situation an der Rohrdorfer Ache sowie im Thansauer Grabensystem unter die Lupe genommen – gestützt unter anderem auf Angaben und Modelle des Wasserwirtschaftsamtes und der RMD Consult, welche die Berechnungen zur Hochwasserfreilegung Thansau Süd angestellt hatte.

„Kein Handlungsbedarf“

Kramers Fazit: Mit dem Ausbau der Autobahn erhöhe sich in der Rohrdorfer Ache der Abfluss bei einem hundertjährlichen Hochwasser (HQ100) von aktuell 34,6 Kubikmeter pro Sekunde um 0,6 Kubikmeter, also lediglich um rund zwei Prozent. Lege man ein verschärftes Szenario mit einem Witterungs- und Geschiebezuschlag zugrunde, betrüge die Steigerung 0,7 Kubikmeter. Das Grabensystem in Thansau müsse in diesem Fall bis zu 0,12 Kubikmeter pro Sekunde mehr bewältigen.

Ebenso ergäben sich bei den Wasserspiegellagen „keine nennenswerten Änderungen“, so Kramer. An der Ache steige der Wasserspiegel nur „geringfügig“ um bis zu drei Zentimeter, wobei dies dank des ausreichenden Freibords keine Probleme bereite. Am Ortsrand von Thansau liege er im Falle eines HQ100 Kramers Berechnungen zufolge um bis zu 0,2 Zentimeter höher, südlich der Biederer Straße um bis zu drei Zentimeter.

Dies sei zum einen auf die hohe Leistungsfähigkeit der bereits vorhandenen Schutzmaßnahmen zurückzuführen, die reichlich Puffer böten, und zum anderen auf die geplanten Rückhaltebecken. Zudem stünde zwischen Biederer Straße und Autobahn noch reichlich Retentionsraum zur Verfügung. Ausuferungen hielten sich demnach selbst bei einem verschärften Szenario in Grenzen und seien lokal beschränkt.

Unterm Strich sieht Kramer daher keinen Handlungsbedarf für die Autobahndirektion, bei der vorgelegten Entwässerungsplanung nachzubessern. Ähnlich sehen dies das Wasserwirtschaftsamt sowie die RMD Consult, deren Stellungnahmen Bürgermeister Christian Praxl anschließend verlas.

Dass das Gremium dem Gutachten ausgesprochen skeptisch gegenüberstehen würde, ließ schon der Blick auf die Tagesordnung vermuten: Sie sah unter Punkt zwei die „Vergabe eines Gutachtens für die Prüfung der hydraulischen Untersuchungen der EDR GmbH“ vor, die dann auch einstimmig beschlossen wurde. Dabei geht es dem Gemeinderat aber nicht darum, die Ergebnisse des EDR-Gutachtens nachrechnen zu lassen.

„Zu wenig Zahlen und Fakten“

„Zu wenig Zahlen und Fakten“, beschied vielmehr Hans Krapf am Ende der knapp zweistündigen Diskussion. Zudem, so der Tenor im Rat, seien viele Aspekte nicht oder nur unzureichend berücksichtigt worden.

So findet der Streckenabschnitt der Autobahn zwischen Achenmühle und Frasdorf in den Berechnungen keinen Niederschlag als versiegelte Fläche, was etwa Rupert Stocker vehement kritisierte. Der Anteil dieses rund drei Kilometer langen Abschnitts an diesem Teileinzugsgebiet sei zu gering, argumentierte Kramer. Maria Haimmerer fehlte eine Betrachtung des Weißbaches. Unklar blieb auch, welcher Wasserstand des Inn den Berechnungen zugrunde gelegt wurde; angesichts eines etwaigen Rückstaus der Ache ist dies aber nicht nur für Georg Stadler und Anette Wagner ein bedeutendes Detail. Auch die getrennte Betrachtung von Rohrdorfer Ache und Thansauer Kanalsystem wurde kritisiert; schließlich münde das Grabensystem und damit das dort auflaufende Wasser in die Ache.

Martin Frey vermisste nicht nur eine Betrachtung der Situation am Sailerbach, der an der Innstraße in die Ache fließt. Wie auch Sebastian Hauser befürchtet er, dass das Wasser von der Autobahn durch die neuen Entwässerungskanäle künftig viel schneller in die Ortschaften ströme. Ob diese Dynamik berücksichtigt worden sei, wollte Frey wissen. „So genau sind die Berechnungen nicht“, räumte Kramer ein. Und das Retentionsbecken, das im Bereich der Autobahnausfahrt angelegt werden soll, bereitet nicht nur Rosi Reck Sorge. Mit einem Fassungsvermögen von 2400 Kubikmeter, so die allgemeine Befürchtung, sei dies zu klein dimensioniert.

Hochwasserschutz wird ausgebeutet

Der Hochwasserschutz für Thansau, den die Gemeinde vor wenigen Jahren mit viel Geld geschaffen hat, „wird jetzt ausgebeutet“, empörte sich Markus Unterseher. „Es muss klargestellt werden, dass seitens der Autobahndirektion Rückhaltemöglichkeiten geschaffen werden.“ Schließlich, ergänzte Anette Wagner, „wollen wir unseren Puffer behalten und nicht an die Autobahn abtreten“.

Der Arbeitskreis Hochwasserschutz wird nun Umfang und Aufgabenstellung dieses weiteren Gutachtens genau definieren, das das Ingenieurbüro Steinbacher-Consult in Neusäß erstellen soll.

Abschließend unterstrich das Gremium einmal mehr, dass die Einwände zum Planfeststellungsverfahren in vollem Umfang aufrecht erhalten werden. Den Hochwasserschutz, wie in den Planungen geschehen, lediglich auf ein zehnjährliches Hochwasser auszulegen, „reicht nicht aus“, heißt es dort etwa. Ein Beschluss, dem Beifall aus Reihen der Zuhörer folgte.

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