Bad Feilnbach – Als „Botschafterin des edelsten Genusses“ istMartina Weingast seither unterwegs. Sie weiß, wie Flank- oder Tenderloin-Steaks – derzeit im Trend – geschnitten und edles Rindfleisch mit Reifungsmethoden wie „Dry Aged“ oder „Whisky Aged“ veredelt werden. „Das Dry Aging ist ein ein Prozess, bei dem Fleisch unter kontrollierten Bedingungen Wasser über mehrere Wochen hinweg entzogen und so zur Reifung gebracht wird“, stellt Weingast ihr Wissen unter Beweis. Dies sei zwar keine neue Technik an sich, erlebe aber durch das exzessive Steakgrilllen, welches in der jetzigen Form aus den USA rübergeschwappt ist, eine Hochphase.
Dass die Nachfrage nach amerikanischen Fleischstücken gewachsen ist, haben Martina Weingast und ihr Mann in den vergangenen Jahren mehr und mehr wahrgenommen. Schließlich betreiben die beiden seit fast 20 Jahren eine Metzgerei mit eigener Schlachtung und Produktion. Dieses veränderte Kundenverhalten war unter anderem ein Grund für Martina Weingast, diese Fortbildung draufzusatteln.
Außerdem lautet das Credo der frischgebackenen Sommelière: „Klasse statt Masse“. Das beginne bereits bei der Züchtung, der Haltung und der Fütterung der Tiere. „Der schonungsvolle Transport mit möglichst kurzen Wegen sowie eine ruhige, fachlich kompetente Schlachtung sind für das Tier selbst sowie für das Fleisch von herausragender Bedeutung“, schildert Martina Weingast. Der Respekt vor dem Lebewesen müsse stets im Vordergrund stehen. „Das ist aber für 1,99 Euro pro Kilo nicht erhältlich“, betont sie.
Weingasts selbst schlachten nur bayerische Jungbullen aus der Region. Dabei haben die amerikanischen Cuts (Schnitte) der Fleischstücke einen regelrechten Hype ausgelöst. So wird statt der flachen Schulter, welche sehnenfrei ist, jetzt immer häufiger das „Flat iron“ bestellt. Das „Metzger- beziegungsweise Meisterstück“ vom Schulterblatt wird auch „Teres Major“ oder „Petite Tender“ genannt.
Vom Rind soll möglichst alles verarbeitet werden, so Weingast. Denn es gibt auch anderes als Filet und Entrecôte (A-Cut). Auch sogenannte B- und C-Cuts sind schmackhaft und ideal für Braten, Steak und Co. Neben dem Bewusstsein für Qualität wollen Kunden vermehrt Besonderheiten. Eine davon ist die Reifeart „Whiskey Aged“: „Hier wird bei der Trockenreifung Alkohol hinzufügt. Der Whisky wird dazu genutzt, den Dry-Aging-Prozess zu verstärken, der Fleischgeschmack wird intensiviert und das Fleisch wird zunehmend zarter“, erläutert die Fachfrau.
Was viele zudem nicht wissen: Bei dem Reifeprozess verliert ein Stück Fleisch bis zu 30 Prozent an Gewicht. Nach oben ist zeitlich bei der Trockung alles offen, „aber das Stück Fleisch wird auch immer kleiner“.
An der ersten bayerischen Fleischerschule Landshut, welche 2017 die ersten Ausbildungen zum Fleischsommelier angeboten hat, hat die Feilnbacherin erfolgreich ihren Lehrgang „Fleischsommelier“ abgelegt. Die Bildungseinrichtung will dabei durch Vorträge, Workshops und Exkursionen unter Leitung von Fleischexperten – von Produktion bis Kulinarik – Wissen vermitteln. Wie groß der Bedarf nach Fortbildung ist, beweisen die Mitschüler: Sie kamen aus Bayern und Baden-Württemberg, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder Niederösterreich.
Als „absolute Experten des Rohstoffs Fleisch“ von der Erzeugung bis zur Vermarktung und Kundenberater würdigte Konrad Treitinger, Vizepräsident der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, die Absolventen bei der Abschlussfeier mit Zertifikatsübergabe. Er war überzeugt: „Bildung ist und bleibt die beste Investition.“
Schul-Geschäftsführerin Barbara Zinkl hob hervor, dass der französische Ausdruck „Sommelier“ („Mundschenk“) auf dessen hohe Beratungskompetenz verweise. Gerade in Zeiten der Globalisierung mit steigender Produktauswahl würden die Ansprüche der Kunden daran immer höher. Damit könnten Fachgeschäfte und das Handwerk punkten.
Ein Fleischsommelier ist vor allem für die Beratung der Kunden zuständig. Er kann genau erklären, worauf man bei Fleisch achten muss und was Qualitätsmerkmale wie Farbe, Marmorierung oder Fettauflage sind. „Außerdem sollte sich ein Fleischsommelier in der Welt der internationalen Fleischspezialitäten auskennen. Deshalb haben wir bei den Schulungen auch Bison, Kobe und Co. probiert.“